Jugendstilkeramik – Tendenzen einer neuen Zeit

Jugendstilkeramik – Tendenzen einer neuen Zeit
Herzlich Willkommen auf den digitalen Seiten zur Ausstellung “Jugendstilkeramik – Tendenzen einer neuen Zeit” des Jugendstilforums Bad Nauheim.
Hier gibt es zahlreiche Zusatzinformationen zu den einzelnen Teilbereichen der Ausstellung.
So gibt es z.B. kurze Lebensläufe der Künstler*innen, Informationen zu den Manufakturen und zahlreiche weitere Hintergrundinformationen, Bilder und Videos zum Jugendstil und der Zeit um 1900.
Wir wünschen viel Spaß beim entdecken!
Das Team vom Jugendstilforum

Der Jugendstil ist wohl eine der kurzlebigsten Stilepochen der Kunstgeschichte. Erste Ansätze der neuen Ideen finden sich zwischen 1860 und 1880 vor allem in England. Es ist die sogenannte Arts-and-Crafts-Bewegung, die hier eine Vorreiterrolle spielt.
Um 1885 breitete sich der neue Stil in ganz Europa und auch in den USA aus, erreichte seinen Höhepunkt um 1900, um dann, mit dem Beginn des 1. Weltkrieges im Jahr 1914, zu erlöschen.
Doch trotz dieser kurzen Lebensspanne ist der Jugendstil zu einem der nachhaltigsten Stile überhaupt geworden. Nicht nur, dass er seit seinem Auftauchen immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert wird, er gilt auch als Wegbereiter der Moderne.
Dabei war der Jugendstil mehr als eine gewöhnliche Kunstrichtung, denn er versuchte alle Lebensbereiche zu erfassen und findet sich in der Malerei ebenso wie in der Architektur, in Möbeln wie in Kleidung, in der Buchkunst, der Musik, der Philosophie und Literatur und vor allem in jeder Art von Alltagsgegenständen.
Unter diesen Alltagsgegenständen kommt vor allem jenen aus Keramik eine besondere Bedeutung zu, denn Keramik konnte kostengünstig und in Serie hergestellt werden. Viele Menschen konnten sie sich leisten und so verbreiteten sich die neuen Form- und Dekorationsideen des Jugendstils vor allem mit diesem Material, das im Mittelpunkt unserer ersten Ausstellung steht.
Jugendstilkeramik hat in einem ganz besonderen Maße die Grundidee des Jugendstils, dass das ganze Leben verschönert werden soll in die Welt getragen.


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Die ganze Vielfalt der Jugendstilkeramik – ein Video von “1900 〉modern times”

Skandinavisches Porzellan … das Licht des Nordens

In diesem Ausstellungsteil “Skandinavisches Porzellan – das Licht des Nordens” stellen wir drei der wichtigsten und größten Keramikmanufakturen Skandinaviens und die dort arbeitenden Künstler*innen vor. Diese drei Manufakturen sind Royal Copenhagen (Dänemark), Bing und Grøndahl (Dänemark) und Rörstrand (Schweden).
Klare Linien, ebenso wie klare Formen, keine überschwänglichen und opulenten Dekors, das sind die wichtigsten Merkmale, die die skandinavische Jugendstilkeramik auszeichnen.
Dazu kommen eher kühle – nordische – Farben, die die Tassen, Teller, Vasen und andere Keramikgegenstände beherrschen.
Schaut man sich die Liste der Künstler*innen in Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark an, dann fällt schnell auf: nirgends sonst wirkten so viele Frauen an der Gestaltung der Jugendstilkeramik mit wie hier. Es gibt keine Manufaktur, in der nicht eine Reihe von Künstlerinnen zu finden ist.
Auch das zeigt eine besondere Facette des Jugendstils: Es ist die Zeit der beginnenden Emanzipation der Frau.

Johann von Schwarz … der dekorative Stil

Im Ausstellungsteil “Johann von Schwarz Nürnberg – Kunstatelier Carl Sigmund Luber – der dekorative Stil” zeigen wir Objekte aus der wohl bekanntesten Nürnberger Keramikmanufaktur. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Firma “Johann von Schwarz” bereits mit der Keramikherstellung begonnen. Zunächst wurden aber nur keramische Industrieprodukte hergestellt. Dies änderte sich im Laufe der 1870er Jahre. Da zunehmend Zierkeramik gefragt wurde, begann die Firma auch solche Produkte herzustellen. Der Stil war – dem Zeitgeist entsprechend – dem Historismus verhaftet.
Vollkommen verändert hat sich dies durch den Bildhauer Carl Sigmund Luber. Er trat seine Anstellung bei Johann von Schwarz im Jahr 1896 an und begann schnell einen ganz eigenen Stil zu prägen. Es waren vor allem asiatische Einflüsse, die Luber in seine Keramiken einfließen ließ. Schnell etablierte sich durch den Erfolg seiner Objekte das “Kunstatelier Carl Sigmund Luber”.
In den zehn Jahren seiner Tätigkeit für die Firma “Johann von Schwarz” fertigte Luber ca. 1.200 Entwürfe. Ein besonderes Augenmerk galt dabei den Bildfliesen in der sog. Fadenrelief Technik.

Waechtersbach … Geometrie und Ornament

Die Firma Waechtersbach mit ihrer “Kunstabteilung Christian Neureuther” gehört wohl zu den bekanntesten deutschen Keramikmanufakturen der Jugendstilzeit. Die im Hessen-Nassauischen Wächtersbach angesiedelte Firma war 1832 vom Grafen von Ysenburg gegründet worden. Ihre Blüte erlebte die Firma im frühen 20. Jahrhundert, und zu verdanken ist sie unzweifelhaft der Kunstabteilung des gelernten Zeichners Christian Neureuther.
Er hatte bereits seine Lehre bei Waechtersbach absolviert und wurde aufgrund seines Ausnahmetalents von dort auf die Königliche Kunstgewerbeschule nach München geschickt, um sich dort weiterzubilden. Im Jahr 1893 kehrte er in die Firma zurück und begann sich dort mit dem neuen Stil – dem Jugendstil – zu beschäftigen.
Der endgültige Durchbruch kam um 1900, vor allem bedingt durch die Zusammenarbeit mit der Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe. So kam es dann auch zur Gründung des “Keramischen Ateliers Waechtersbach Christian Neureuther” und zur Fokussierung auf keramische Objekte im Jugendstil. Paul Haustein, Paul Bürck und Patriz Huber prägten den geometrisch-ornamentalen Stil jener Jahre und Joseph Maria Olbrich den deutlich reduzierteren Stil.

Max Laeuger … der Keramikmaler

Max Laeuger war Keramiker, Kunstgewerbler, Architekt, Gartenarchitekt, Möbeldesigner, Maler, Grafiker, Keramikmaler, Innenarchitekt oder kurz gesagt: Universalkünstler. Damit war Max Laeuger eigentlich ein typischer Vertreter seiner Zeit und ein klassisches Beispiel für den besonderen Typ des Jugendstilkünstlers.
Bei all seinen so verschiedenen Aktivitäten legte Max Laeuger immer ein besonderes Augenmerk auf die Keramik, sie war definitiv eines seiner Steckenpferde. Insgesamt 60 Jahre lang schuf Laeuger Kunstwerke aus Keramik und mit diesem enormen Werk gilt er als der bedeutendste europäische Keramiker des 20. Jahrhunderts.
Bereits 1892 begann Max Laeuger nach Abschluss seiner Studienjahre an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe und der Académie Julian in Paris sich der Keramik zuzuwenden. Vor allem seine zeichnerischen und grafischen Fähigkeiten konnte er hier gut einsetzen.
Im Jahr 1897 gründete er die Professor Laeuger’sche Kunstabteilung bei den südbadischen Tonwerken in Kandern und konnte schnell erste internationale Erfolge verbuchen, etwa auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 oder auch auf der Weltausstellung in St. Louis im Jahr 1904. Floral und naturalistisch ist der Stil jener Jahre.

Darmstadt … der schöne Entwurf für den Alltag – Jugendstilkeramik

Die Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe war sicherlich eine der wichtigsten Künstlerkolonien der Jugendstilzeit in Deutschland. Ihr Entstehen im Jahr 1899 verdankt sie dem kunstsinnigen Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Er lud die Künstler in seine Residenzstadt ein und finanzierte in weiten Teilen deren Arbeit und Leben dort.
Zu den bekanntesten und renommiertesten Künstlern der Mathildenhöhe gehören Peter Behrens, Albin Müller, Ernst Riegel, Jakob Julius Scharvogel, Hans Christiansen und vor allem Joseph Maria Olbrich. Insgesamt waren es über 20 Künstler, die im Laufe der Jahre auf der Mathildenhöhe wirkten. Sie lieferten kunstgewerbliche und künstlerische Objekte für alle Bereiche, angefangen von der Architektur, über Möbel bis hin zu Grafik und Keramik.
Auch in Bad Nauheim hinterließen zahlreiche Künstler der Darmstädter Kolonie Spuren. So war vor allem Jakob Julius Scharvogel für die künstlerisch ausgestaltete Jugendstilkeramik in den Badehäusern und Schmuckhöfen verantwortlich, und Ernst Riegels Objekte aus Metall sind bis heute in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage zu bewundern.
In der Sammlung “1900 modern times” des Kölner Sammlers Manfred Geisler, die im Rahmen der aktuellen Ausstellung im Jugendstilforum zu sehen ist, finden sich keramische Arbeiten all der genannten Künstler.

Jugendstil Fliesen – Jugendstilkeramik

Sie sind eigentlich absolute Alltagsgegenstände und meist schenken wir ihnen nur wenig Beachtung, außer vielleicht wir renovieren gerade das Badezimmer oder suchen nach einem Spritzschutz in der Küche, und dennoch können sie auch wahre Kunstwerke sein – die Rede ist von Fliesen. Nirgends sonst findet man eine derart reichhaltige und verschiedenartige Dekorgestaltung wie bei ihnen. Alle Spielarten des Jugendstils finden sich auch auf Fliesen, ob geometrisch oder floral, ob üppig oder zurückgenommen.
Die Zeit um 1900, der wirtschaftliche Aufschwung jener Jahre und der allgemeine Innovationsprozess, der damals die Welt veränderte, brachte auch ein gestärktes und verändertes Hygieneverständnis mit sich. Die Menschen wollten zunehmend eigene Bäder haben, die Waschschüssel alleine reichte vielen nicht mehr und es gab immer mehr Menschen, die sich eben diesen Luxus des eigenen Bades auch leisten konnten. So war es für immer mehr Keramikmanufakturen auch interessant, sich mit dieser ehemals schlichten Baukeramik zu beschäftigen und sie in großer Stückzahl zu fertigen. Und die Jugendstilkünstler, deren Anliegen es war alle Lebensbereiche zu verschönern, entdeckten schnell die Fliesen und Kacheln auch für sich. So entstanden unzählige von Künstlern entworfene Fliesenserien. In Bad Nauheim lassen sich in vielen Badezellen und auch in den Schmuckhöfen und Wartesälen solche Jugendstilfliesen und -kacheln bewundern. Das allein wäre Grund genug, ihnen einen eigenen Raum in dieser Ausstellung zu gewähren. Aber auch in der Sammlung “1900 modern times” des Kölner Sammlers Manfred Geisler, die im Jugendstilforum zu sehen ist, befinden sich zahlreiche Fliesen, die von zum Teil namhaften Jugendstilkünstlern gefertigt wurden.

Kabinettausstellung … mach dich schön

Mach Dich schön“!? – Natürlich muss es in der historischen Umgebung eines Badehauses wie dem Badehaus 3 im Bad Nauheimer Sprudelhof auch ums Baden gehen. Sicher ging es hier ursprünglich nicht um das Baden im Sinne der Hygiene, sondern um das Baden in Heilwasser aus gesundheitlichen Gründen. Aber wir möchten hier gerne die unterschiedlichen Facetten des Badens zeigen, und immerhin gibt es auch sehr viel Jugendstilkeramik wie Waschgarnituren, Wasserkrüge, Waschschüsseln und Seifenschalen, die in engem Zusammenhang mit dem Baden stehen.
Zudem war die Zeit um 1900 eine Zeit, in der der Hygiene und auch der Gesundheit immer mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Hygiene- und Gesundheitsausstellungen schossen in der Zeit der Jahrhundertwende quasi wie Pilze aus dem Boden. Und nicht zuletzt beschäftigten sich zahlreiche Jugendstilkünstler auch mit jenen Alltagsgegenständen, die für die Hygiene gedacht waren.
In diesem Ausstellungsteil aber zeigen wir nicht ausschließlich Keramik, es gibt auch Objekte aus Glas und Metall. Vor allem Parfumflacons, Handspiegel, Bürsten und Kämme sind es, die wir hier zusammengetragen haben, um den Körper- und Schönheitskult der Belle Époque zu versinnbildlichen.

Kabinettausstellung … das Bad ist angerichtet

Das Bad ist angerichtet“?! – Wenn es ums Baden geht, dann ist Wasser natürlich das wichtigste Element. Hier im Sprudelhof von Bad Nauheim ist Wasser allgegenwärtig. Es begegnet uns in den Dekorationen der Wände, der Fassaden, in den Fensterbildern und natürlich in Form der zwei bzw. drei Sprudel im Zentrum des Sprudelhofs.
Auch für die Jugendstilkünstler war Wasser ein Element von besonderer Bedeutung. Es gibt viele Darstellungen, die sich mit dem Wasser auch in Verbindung mit dem Menschen beschäftigen und es versinnbildlichen. Eine der bekanntesten Darstellungen ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Wasserschöpferin von Emil Cauer.
Es war vor allem die Lebensreformbewegung um 1900, die dem Körperbewusstsein einen ganz neuen Stellenwert verschaffte und damit auch den Grundstein für die Künstler jener Epoche legte, sich mit dem Element Wasser und dem menschlichen Körper zu beschäftigen.
Die Tatsache, dass aufgrund neuer Fertigungstechniken figürliche Darstellungen aus Porzellan immer günstiger wurden und somit für weitere Käuferschichten erschwinglich, veranlasste zudem viele Künstler und Firmen, wie etwa Rosenthal oder Goldscheider, sich der Herstellung solcher Figuren zu widmen.

Das Baderitual … 1910 bis heute

Der Ausstellungsteil “Das Baderitual … 1910 bis heute” ist weniger der Keramik gewidmet als vielmehr der Geschichte des Ausstellungshauses, dem Badehaus 3 im Bad Nauheimer Sprudelhof und damit natürlich dem gesamten Jugendstilensemble und seiner ehemaligen Bedeutung.
Hier im Badehaus 3 gibt es zahlreiche Badezellen, die im Originalzustand erhalten sind, ebenso wie der Wartesaal und auch der Schmuckhof. Das Betreten der Räume ist eine Art von Zeitreise ins Fin de Siècle, in die Belle Époque, jene Zeit des Jugendstils, die uns heute in vielem so ähnlich ist und doch oftmals auch so weit entfernt.
Bis heute fasziniert die Technik, die hinter diesem ganzen Sprudelhofkomplex steckt und es erst möglich machte, dass tausende Heilung suchende Menschen hier Jahr für Jahr behandelt werden konnten. Kilometerlange Rohrleitungen mussten verlegt werden, knapp 300 Badezellen mussten mit warmem und frischen Thermalwasser versorgt werden, gleichzeitig sorgte die Maschinenzentrale für ausreichend Strom, um nicht nur den Badebetrieb, sondern auch den vergnüglicheren Teil des Kurbetriebs aufrecht erhalten zu können.

An dieser Stelle wünschen wir allen unseren Besucher*innen viel Spaß in der Ausstellung
Jugendstilkeramik – Tendenzen einer neuen Zeit“!
Wir freuen uns, dass Sie den Weg ins Jugendstilforum gefunden haben auf analoge oder digitale Weise.


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