Blick ins Depot – Zwei Putti und das Glück der Serienproduktion
Wie alle Museen und museumsähnlichen Institutionen hat natürlich auch das Jugendstilforum Bad Nauheim ein Depot. Hier liegen die Teile der verschiedenen Sammlungen, die aktuell aus den verschiedensten Gründen heraus nicht ausgestellt werden können.
Im unserem Fall gehört das Depot nicht allein dem Jugendstilforum: auch der Jugendstilverein Bad Nauheim, der letztlich das Jugendstilforum betreibt, hat hier Objekte liegen, die im Laufe der Jahre gesammelt wurden. Gleiches gilt für die Stiftung Sprudelhof, die für dieses einzigartige Jugendstilensemble verantwortlich ist.
In diesem Depot finden sich so manch kleine und große Schätze. Zu diesen Schätzen gehören auch zwei Putti, die eine enge Beziehung zu Bad Nauheim haben und die viel über die Bedeutung dieses Ortes für die Wirtschaft und vor allem das Kunsthandwerk des einstigen Großherzogtums Hessen erzählen.
Aber erzählen wir die Geschichte der beiden Putti der Reihe nach:
Zwei Putti, zwei Brunnen, acht Löwen und Badehaus 6
Den Schmuckhof von Badehaus 6, der heute beinahe schmucklos ist, zierten sie einst gemeinsam zwei Brunnen, die in kleinen Pavillons am Ende des Schmuckhofes standen. Eben diese Brunnen wurden geziert von jeweils einem Putto und vier Löwen.
Irgendwann jedoch gingen die Pavillons verloren und mit ihnen auch die Brunnen. Einzig ein Putto blieb erhalten. Es ist ein kleiner Junge, der einst Flöte spielend oben auf dem Brunnen saß und zu einem kleinen Mädchen hinüberblickte, das oben auf dem anderen Brunnen saß und ein wenig verlegen erscheint ob des Knaben, der für sie die Flöte spielt. Sie schaut nach unten, hebt die Hand vor den Kopf und scheint schon beinah zu erröten.
Diese beiden Putti – ebenso wie die Löwen – wurden vom Offenbacher Künstler Karl Huber gestaltet. Ausgeführt wurden die beiden vornehmlich in weiß gehaltenen Putti, ebenso wie die anderen keramischen Teile der Brunnen von der Großherzglich Keramischen Manufaktur in Darmstadt.
Die Großherzoglich Keramische Manufaktur in Darmstadt
Gegründet worden war die Großherzogliche Keramische Manufaktur im Jahre 1906 auf Betreiben des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, der auch für den Bau des Sprudelhofs in Bad Nauheim verantwortlich zeichnete.
Die Keramische Manufaktur stand von vornherein in einer sehr engen Beziehung zu Darmstädter Künstlerkolonie – der Mathildenhöhe. Hier – quasi in der eigenen Manufaktur – sollten die Arbeiten der dortigen Künstler gefertigt werden.
Zum ersten Leiter der Manufaktur wurde der bekannte Keramiker Jakob Julius Scharvogel ernannt und nach Scharvogels Ausscheiden übernahm der Bildhauer und Keramiker Well Habicht 1919 die Leitung der Manufaktur.
Wirtschaftlich war die Manufaktur von Beginn an nicht besonders erfolgreich, aber sie wurde trotzdem noch bis in die 1930er-Jahre unter wechselnden Besitzern weitergeführt.
Die Keramische Manufaktur, Bad Nauheim und die Serienproduktion
Viele der figürliche Plastiken, der keramischen Gegenstände mit ornamentalen Dekoren und auch andere Bauteile für den Innen- und Außenbereich des Sprudelhofs und der Trinkkuranlage von Bad Nauheim wurden von den damals namhaften Künstlern, wie dem bereits erwähnten Karl Huber aus Offenbach entworfen und dann in großer Stückzahl in der keramischen Manufaktur in Darmstadt produziert. Angeboten wurden sie einer breiten Käuferschicht per Katalog und teilweise auch – wie etwa der Wartesaal und der Schmuckhof von Badehaus 7 – auf Ausstellungen dem Publikum im Vorfeld präsentiert, bevor sie letztendlich in Bad Nauheim eingebaut wurden.
Eingang in einen solchen Katalog fanden auch die beiden Putti, die ehemals die Brunnen des Schmuckhofs von Badehaus 6 zierten. Ein Referent für die Vortragsreihe „Bad Nauheim – Spiegel einer neuen Zeit“, die von der Stiftung Sprudelhof und dem Jugendstilverein veranstaltet wird, stieß bei seiner Recherche auf zwei Keramikfiguren, die genau so aussahen wie die beiden Putti, die die zwei Brunnen im Schmuckhof des Badehauses 6 zierten und von denen nur noch der Knabe erhalten war.
Die einstige Serienproduktion schien es also nun möglich zu machen, das für immer verloren geglaubte Paar doch wieder zu vereinen. „Nach eingehenden Beratungen und Nachforschungen, bei denen der Geschäftsführer der Stiftung Sprudelhof, Herr Frank Thielmann, maßgeblich beteiligt war, ergriff der Vorstand des Jugendstilvereins die glückliche Situation beim Schopfe und erwarb die beiden Kinderfiguren.“ hieß es dann 2017 seitens des Jugendstilvereins.
Man kann sich vorstellen, dass die Freude damals sehr groß war, als die beiden Figuren wohlbehalten im Sprudelhof eintrafen und hier befinden sie sich seither im Depot und harren der Dinge. Sicherlich werden sie in einer der nächsten Ausstellungen des Jugendstilforums, wie etwa der Ausstellung “Jugendstilkeramik – Tendenzen einer neuen Zeit” zu sehen sein und so zumindest zeitweilig wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
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