Das Baderitual – 1910 bis heute

Das Baderitual ist im historischen Ambiente eines Badehauses natürlich ein wichtiges Thema und so sind die vielen original erhaltenen Badezellen im Badehaus 3 des Bad Nauheimer Sprudelhofs eines der Herzstücke des Jugendstilforums. Hier sieht und erlebt man hautnah, wie das Kuren um 1900 aussah und in welchem Ambiente es stattfand.
Da sind die originalen Holzwannen, einzeln oder als Doppelwanne, die Kosmetiktische, die Garderoben, die originalen Fliesen und Waschbecken. All das wirkt, als hätte nur gerade eben jemand den Raum verlassen. Fast meint man noch das Getrappel der vielen hundert Badegäste und Angestellten auf den Gängen zu hören.
Dabei waren die Badezellen nur ein Teil der Therapie und der Kur. Zum durchaus ganzheitlich angelegten Konzept einer Kur um 1900 gehörten auch die Innenhöfe – die sogenannten Schmuckhöfe – der Badehäuser, die als Ruhezonen dienten. Natürlich hatte auch der Kurpark, der gleich hinter dem Sprudelhof beginnt eine große Bedeutung, denn hier sollten sich die Kurgäste bewegen, leichte Spaziergänge machen und sich so kräftigen und stärken.
Und weil man auch schon damals wusste, dass die Psyche einen wichtigen Anteil an der Gesundheut des Menschen hat, sorgte man auch für genügend Vergnügungen und Ausgleich, so mit den Musikpavillons, dem Tennisplatz, dem Kurhaus, das mancherlei Ablenkung bot und zahlreichen Cafés und Geschäften, die zum Bummeln und Verweilen einluden. Für den Kurgast war gesorgt, für Leib und Seele.

Die Badezellen und das Baderitual

Nach dem Neubau des Bad Nauheimer Sprudelhofs, der im Jahr 1911 abgeschlossen war, standen den Kurgästen insgesamt 265 Badezellen zur Verfügung. Manche von ihnen waren Doppelzellen, so dass auch Ehepaare gemeinsam Anwendungen erhalten konnten.
Schilder an den Türen zeigen an, ob die Zellen belegt waren oder nicht und ob ein Mann oder eine Frau darin waren.
Die Wände der Badezellen sind mit verschiedenartigen Fliesen verkleidet, die in ruhigen Farben gehalten sind, sich teilweise wiederholen und dennoch in jeder Zelle eine ganz eigene Atmosphäre erschaffen. Farblich passend zu den Fliesen sind die Fenster der Badezellen, die stilisierte Wasser- und Kohlensäuremotive zeigen.
Die Wannen wurden aus tropischen Harthölzern gefertigt, da nur diese dem salz- und kohlensäurehaltigen Heilwasser über längere Zeit standhalten konnten. Andere Materialien wären nach kürzester Zeit zerstört worden. Der Einlauf des Thermalwasser erfolgte am Fußende der Wannen. Hier waren auch Fächer für die Handtücher eingelassen, die so erwärmt werden konnten. 

Die Fürstenbäder von Bad Nauheim

Für den Adel und andere hochgestellte Persönlichkeiten gab es im Sprudelhof von Bad Nauheim vier sogenannte Fürstenbäder in denen das Baderitual noch opulenter aussah als in den normalen Badezellen. Sie befanden sich in den Badehäusern 2, 3, 4 und 7. Bis heute erhalten sind die Fürstenbäder der Badehäuser 2 und 7, wobei nur dasjenige des Badehauses 2 annähernd vollständig geblieben ist; jenes von Badehaus 7 soll in den nächsten Jahren auch durch den Jugendstilverein von Bad Nauheim restauriert und fehlende Teil ersetzt werden.
Die Fürstenbäder bestanden aus mehreren Räumen. Zunächst gab es einen Eingangsbereich, also ein Vorzimmer, daran an schloss sich ein Umkleide- und Ruheraum und dann der eigentliche Baderaum mit eingelassener Wanne. Daneben gab es nochmals einen kleinen Nebenraum für Kammerdiener oder Zofen.
Die Eingänge der Fürstenzellen befanden sich nicht im Innenbereich des Sprudelhofs, sondern seitlich bzw. rückwärtig. So mussten die hochgestellten Badegäste nicht durch die Wartesäle der Badehäuser, um zu ihren Badezellen zu gelangen. Außerdem hatten diese Zugänge den Vorteil, dass sie bequem mit der Kutsche angefahren werden konnten.

Die Schmuckhöfe und die Therapie

Auch die Schmuckhöfe, jene kleinen Gärten der Innenhöfe, hatten einen wichtigen Anteil am Therapiekonzept und dem Baderitual. Hier konnten die Kurgäste bei schönem Wetter in beruhigendem Ambiente und in frischer Luft warten, bis sie für ihr Bad aufgerufen wurden. Außerdem konnten sie hier nach dem durchaus anstrengenden Bad im Thermalwasser noch ausruhen und sich erholen.
Die Schmuckhöfe erfüllten also gleich mehrere Zwecke, denn sie öffneten die ansonsten dunklen Flure zu den Badezellen, so dass die Gäste auf ihrem Weg zum Bad noch den angenehmen Blick auf das Grün und einige Kunstwerke hatten, die sích ebenfalls in jedem Schmuckhof befanden. Dazu boten sie Raum zur Erholung und vervollständigten die künstlerische Ausgestaltung der einzelnen Badehäuser.
Es waren renommierte Künstler, vor allem jene der Darmstädter Künstlerkolonie der Mathildenhöhe, wie etwa Jakob Julius Scharvogel und Heinrich Jobst, die sich an der Ausgestaltung der Schmuckhöfe beteiligten und diverse Entwürfe beisteuerten.
Der Brunnen im Schmuckhof von Badehaus wurde vom Bildhauer Johann Belz (1873-1957) geschaffen und basiert wahrscheinlich auf einer Idee des Architekten Wilhelm Jost.

Das Heilwasser und seine Wirkung

In Bad Nauheim gibt es verschiedene Heilquellen und Thermalwasser. So gibt es auch mehrere Therapieformen, wie man gut im Badehaus 3 sehen kann.
Insbesondere für herzkranke Patient*innen und für an rheumatischen Erkrankungen leidende Menschen, gab es die Wannenbäder im warmen Thermalwasser. Für Patienten mit gastroenterologischen Erkrankungen hingegen gibt es bis heute die Trinkbrunnen von denen einer auch im Flur des Badehauses 3 zu sehen ist. Diese mineralischen Heilwässer werden insbesondere in der Trinkkuranlage ausgeschenkt, aber auch an einem öffentlichen Brunnen im Südpark direkt vor einem der Bad Nauheimer Gradierbauten.


Beitragsbild:
Das Kaiserinnenbad – Fürstenzelle in Badehaus 3 – Baderitual der Luxusklasse
Foto: Susanne Homann