Kabinettausstellung – Mach Dich schön!

Mit der Überschrift „Mach Dich schön“ haben wir diese kleine Kabinettausstellung über Schönheitspflege im Jugendstil und Art Déco überschrieben, und „Mach Dich schön“ steht im übertragenen Sinne als Metapher für die gesamte Epoche des Jugendstils, denn Schönheit war das Motto der Zeit.
Alles sollte schön werden, alles sollte ästhetischen Maßstäben genügen, egal ob Kunst oder Alltag. Hinzu kam ein zunehmender Fokus, der auf Gesundheit und Hygiene gelegt wurde. Da konnte es nicht ausbleiben, dass die Künstler*innen und Manufakturen des Jugendstils auch zunehmend Hygiene- und Schönheitsaccessoires für sich entdeckten wie etwa Bürsten, Kämme, Puderdosen, Hand- und Tischspiegel oder auch Seifenschalen. Ein besonderes Augenmerk wurde nun auch auf die Parfumflakons gelegt, die immer individueller und exklusiver gestaltet wurden. Gleichzeitig wurden all diese Accessoires nun in Massen produziert und so für immer mehr Menschen erschwinglich.
Die auf den Jugendstil folgende Epoche des Art Déco übertrumpfte diesen Boom gerade in Hinblick auf Parfumflakons nochmals.

Schönheitspflege – Accessoires – Manufakturen und Künstler

Zahlreiche Manufakturen für Glas, Porzellan und Metall wie etwa Villeroy & Boch erlebten in der Zeit des Jugendstils, bzw. des Art Nouveau einen enormen Aufschwung. Sie arbeiteten mit zahlreichen bekannten und renommierten Künstlern dieser Stilrichtung wie Henry van de Velde und Joseph Maria Olbrich zusammen und produzierten deren Designs in zum Teil ausgesprochen großer Stückzahl, so dass sie auch für die breite Masse erschwinglich wurden.
Produziert wurden neben Innendekorationen wie Vasen vor allem auch Artikel für die Schönheitspflege wie Puderdosen, Parfümflakons und vieles mehr.

Hugo Leven

  • (1874-1956)
  • deutscher Bildhauer
  • Leven studierte an der Kunstgewerbeschule und der Kunstakademie Düsseldorf
  • er hatte vor allem zahlreiche Kontakte zu französischen Künstlern und wurde von dort stark beeinflusst
  • 1895-1904 arbeitete er für die von Johann Peter Kaiser gegründete Firma Kayserzinn in Krefeld, die unter der künstlerischen Leitung von dessen Bruder Engelbert Kayser (1840-1911) stand
  • darüber hinaus war Leven für die Firmen Kreuter in Hanau, Koch & Bergfeld sowie WMF tätig
  • 1909-1933 Lehrer und später Direktor an der Zeichenakademie der Fachschule für Edelmetallindustrie in Hanau
  • 1933-1945 Berufsverbot
  • ab 1945 Leitung des Wiederaufbaus der Akademie
Seifendose der Firma Kayserzinn, Entwurf Hugo Leven
Schönheitspflege
Seifendose Kayserzinn, Entwurf Hugo Leven, um 1902
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Unger Bros.

  • 1870/72 Gründung einer Schmuckfabrik durch den ältesten Sohn der deutschen Einwandererfamilie Unger in Newark, New Jersey
  • 1878 Beginn der Produktion von Schmuck aus Sterlingsilber
  • 1895-1907 Höhepunkt der Produktion, eines der Spezialgebiete der Firma waren Hutnadeln; man fertigte aber auch Tafelaufsätze, Schüsseln und Saucieren

William Hutton & Sons Ltd.

  • um 1900 Lieferung zahlreicher Produkte für Liberty & Co.
  • ab dieser Zeit Herstellung von Bestecken
  • 1923 trat Herbert Hutton aus der Firma aus
Duftschale der Firma Daum Frères
Duftschale der Firma Daum Frères
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Daum Frères

  • 1878 Jean Daum (1825-1885) gründet die Glasfabrik Daum
  • die Firma war eng verbunden mit der École de Nancy und entwickelte sich schnell zu einer der führenden Glashütten des Art Nouveau-Stils
  • 1906 Daum beginnt mit der Pâte de verre-Technik, einer speziellen Technik zur Herstellung mehrfarbigen Glases
  • zahlreiche bekannte und renommierte Künstler wie etwa Salvador Dali arbeiteten mit Daum zusammen
  • bis heute produziert die Firma in Nancy und ist mit über 600 Exponaten im Musée des Beaux-Arts in Nancy vertreten

Riedel Glas

  • 1746 Gründung einer Glashütte durch Johann Leopold Riedel in Nordböhmen; schnelle Expansion und Eröffnung weiterer Glashütten
  • Mitte 19. Jahrhundert unter der Leitung von Josef Riedel d. Ä. (1816-1894) expandiert das Unternehmen enorm und betreibt neben der Glas- auch eine Textilproduktion
  • um 1900 Josef Anton Riedel (1862-1924) entwickelt zahlreiche neue Produktionstechniken
  • heute wird das Unternehmen in der 10. bzw. 11. Generation von Georg Josef Riedel und Maximilian Riedel betrieben
Flakon der Firma Riedel, um 1905
Parfümflakon von Riedel Glas, um 1905
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0
Handspiegel der Firma Orivit
Schönheitspflege
Handspiegel der Firma Orivit –
unerlässlich für die Schönheitspflege
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Orivit AG

  • 1894 Ferdinand Hubert Schmitz (1863-1939) übernimmt die „Rheinische Bronze- und Metallwarenfabrik Johann Heinrich Welke“ in Bedburg
  • 1898 Anmeldung des Warenzeichens ORIVIT
  • 1900 Teilnahme an der Weltausstellung in Paris und Gewinn einer Goldmedaille
  • 1903 Bau einer neuen Fabrik in Köln
  • 1905 Übernahme der Orivit AG durch die „Württembergische Metallwarenfabrik“ (WMF)
  • 1914-1918 Einstellung der kunstgewerblichen Produktion
  • 1918 Wiederaufnahme der kunstgewerblichen Produktion
  • 1926 endgültige Stilllegung des Betriebs
  • die Firma stellte Luxus- und Gebrauchsgegenstände aus Zinn, Kupfer, Messing, Weißmetall u.a. Metallen her, die teilweise vergoldet oder versilbert wurden
  • man arbeitete auch mit Glas, Kristall und Porzellan

Lalique S.A.

  • 1888 der französische Glaskünstler und Schmuckdesigner René Lalique (1860-1945) gründet das Luxusgüterunternehmen Lalique mit Sitz in Paris
  • hergestellt werden vor allem Schmuck, Parfümflakons und andere Glasobjekte, die teils auch im Zusammenhang mit Schönheitspflege stehen
  • ausgezeichnet hat sich Lalique durch die Kombination verschiedener Materialien wie Glas, Edelsteine, Emaille, Edelmetalle, Horn und Elfenbein
  • zu den Kund*innen zählte in dieser Zeit z.B. Sarah Bernhardt (1844-1923)
  • 1891 Lalique entwickelt eine neue Pâte de verre-Technik, eine spezielle Technik zum Einfärben von Glas
  • 1900 die Weltausstellung in Paris war der Höhepunkt der Karriere Laliques dessen Produkte nun als Massenwaren produziert wurden
  • 1908 Lalique beginnt Flakons für den Parfümeur François Coty (1874-1934) zu entwerfen
  • ab 1909 René Laliques Tochter Suzanne (Lalique-Haviland) (1892-1989) tritt in das Unternehmen ein und designt zahlreiche Vasen, Dekorationsgegenstände, Puderdosen u.ä.
  • 1915 Patent für eine spezielle Formglastechnik
  • 1920er Jahre Umstellung der Produktion auf Art Déco
  • 1921 Eröffnung einer Glashütte im elsässischen Wingen-sur-Moder
  • 1994 Verkauf der Firma an den französischen Glashersteller Pochet
  • 2008 Verkauf an die schweizerische Lalique Group
  • heute gibt es gleich zwei Lalique-Museen eines in Wingen-sur-Moder und ein weiteres im niederländischen Doesburg
Lalique - Parfumflakon
Parfümflakon Lalique
Flakon Lalique
Flakon von Lalique
Fotos: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Die Welt um 1900 – eine Welt zwischen „Belle Époque“ und „Fin de Siècle“

„Belle Époque“ und „Fin de Siècle“ sind zwei Bezeichnungen für die Welt um 1900, jenem Zeitraum, der meist zwischen 1884 und 1914 angesetzt wird und der sowohl durch den Geist des Aufbruchs als auch durch den des Endes gekennzeichnet war. Es war eine ambivalente Zeit zwischen Modernität und Historismus, zwischen revolutionärem und reaktionärem Denken.
Auf der einen Seite sorgte die zweite Welle der Industriellen Revolution für einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung und für unglaubliche Entwicklungen gerade in den Bereichen der Elektrotechnik, der chemischen Industrie, der Stahlindustrie und des Verkehrswesens. Eine zunehmende Globalisierung war die Folge, denn Reisen und Austausch gingen nun erheblich schneller als in den vorangegangenen Zeiten. Gerade auch die medizinischen und hygienischen Neuerungen führten zu einer höheren Lebenserwartung und einem besseren Leben, zumindest für gewisse Kreise der Bevölkerung und in gewissen Regionen Europas. Gerade das Bürgertum merkte diesen positiven Veränderungen und entwickelte ein ungeheuer kreatives und dynamisches Lebensgefühl.
Bildende Künste, Musik, Literatur und Architektur, überall gab es Neues und Kreatives zu bestaunen. Der alte Mief der victorianischen Ära in England und des Historismus in Deutschland wurde langsam aber sicher durch Neues ersetzt.
Auf der anderen Seite war das „Fin de Siècle“ das Ende des Jahrhunderts. Das, was der Belle Époque als positiv galt, das sah man hier als Dekadenz, als letzten Aufbäumen vor dem endgültigen Verfall. Man war sich bewusst, dass etwas zu Ende ging, denn all das, was auf der einen Seite zu erheblichen Neuerungen führte, das zerstörte auf der anderen Seite auch bisher Gewohntes. Vor allem die Sozialstrukturen veränderten sich, Frauen überall auf der Welt forderten die Gleichberechtigung und das Wahlrecht ein. Viele waren getrieben von Endzeitstimmung und Depressionen, Sigmund Freud widmete sich der Hysterie und sogar Könige und Kaiser saßen regelmäßig in spiritistischen Sitzungen.

Art Déco

Das Art Déco, die „dekorative Kunst“ kam bereits am Ende des 19. Jahrhunderts auf, hatte seine Hochphase aber erst nach dem Ende des Jugendstils in den 1920er Jahren. Anders als der Jugendstil, der gemeinhin vor allem durch das Element der Welle und der bewegten Linie beschrieben wird, hat das Art déco kein durchgehendes Stilmerkmal.
Mit Art Déco werden vor allem Objekte und Kunstwerke bezeichnet, die kostbare Materialien mit eleganter und moderner Form verbinden. Anders als die Bezeichnungen „Jugendstil“ oder „Art nouveau“ ist die Bezeichnung „Art déco“ eine erst im Nachhinein entstandene Bezeichnung. Erstmals benutzt wurde die Bezeichnung im Jahr 1966 von Hilary Marvin Gelson in einem Artikel für die Times. Zuvor hatte man den Stil meist als „Style Moderne“ oder auch „Französischer Stil“ bezeichnet. Seine Wurzeln hatte das Art Déco im Jugendstil und sein Zentrum war eindeutig Frankreich. Dort erlebte der neue Stil auch seinen Höhepunkt in Form der Ausstellung „Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes“ im Jahr 1925.
Ähnlich wie der Jugendstil verschwand auch das Art Déco beinahe so schnell wie es gekommen war. Die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 leitete den Niedergang dieser Stilepoche ein; einzig in den USA konnte sich diese Art des Designs noch bis in die 1950er Jahre hinein halten.

Hygiene- und Gesundheitsausstellungen

Heute kaum mehr vorstellbar mobilisierten Hygiene- und Gesundheitsausstellungen in der Belle Époque Millionen von Menschen. Oftmals wurden diese Ausstellungen von großen Konzernen organisiert und waren eben nicht nur Ausstellungen für medizintechnische Neuerungen, sondern auch Verkaufs- und Werbeveranstaltungen für alltägliche Hygieneprodukte, hübsche Accessoires, Schönheitspflege und irgendwie auch Tourismusmessen auf denen sich beliebte und bekannte Kurbäder, wie auch Bad Nauheim, präsentierten.
Es war Mode, es war chic, sich mit Gesundheitsthemen und dem eigenen Körper, mit Ernährung und Bewegung zu beschäftigen. Ein Arzt und Hygieniker wie Robert Koch (1843-1910) mutierte zu einer Art von Superstar, der gefeiert und bewundert wurde, ebenso wie sein französischer Kollege Louis Pasteur (1822-1895). Die Mediziner galten als Heilsbringer, die es schafften die Menschen von der Geißel der Krankheiten und Epidemien zu erlösen. „Doctor Kochs Tubercelpilz“ war das Highlight auf so mancher Ausstellung.
Eine erste Ausstellung dieser Art sollte 1882 in Berlin stattfinden, wurde aber durch einen Brand verhindert. Bereits im Folgejahr aber ging die Ausstellung an den Start und es folgte eine endlose Reihe ähnlicher Veranstaltungen. Eine der größten war die Dresdner Hygieneausstellung des Jahres 1911, die vom Odol-Fabrikanten Karl August Lingner (1861-1916) veranstaltet wurde. Noch größere Ausmaße nahm die GeSoLei, die Große Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen in Düsseldorf im Jahr 1926 an. Insgesamt 7,5 Millionen Besucher besuchten diese Messe, die damit die größte Messe der Weimarer Republik wurde. Zahlreiche Bauten, die eigens für die GeSoLei geschaffen wurden stehen noch heute in Düsseldorf, so etwa die Tonhalle, der Ehrenhof oder auch die Rheinterrasse.
Bis in die 1930er Jahre hinein blieben die Gesundheits- und Hygieneausstellungen ausgesprochen beliebt.