Kabinettausstellung – Das Bad ist angerichtet

Das Wasser und das Bad sind in unserer Ausstellung gleich in mehrfacher Hinsicht wichtige Themen, denn wir befinden uns in einem alten Badehaus im Stil des Art Nouveau, bzw. Jugendstils. Die Ausstellungsräume befinden sich in den ehemaligen Badezellen, wo die Kurgäste im warmen Thermalwasser badeten, um ihre Leiden zu lindern, wie es schon draußen auf der Sprudeleinfassung von Heinrich Jobst heißt. So werden Jugendstil und Bad thematisch vereint. Überall im Sprudelhof und auch in der Trinkkuranlage, nur wenige Gehminuten von hier entfernt, finden wir Symbole, die mit diesem heilenden Wasser in Verbindung stehen. Es sind Sprudelblasen, die die Wände und die Fenster zieren, ebenso diverse Meerestiere und viele Wellenmotive.
Das Motiv der Welle ist auch eines der wichtigsten Motive des Jugendstils überhaupt. Es kam aus der japanischen Kunst, die die Künstler des neu entstehenden Jugendstils so stark prägte. Auf den Weltausstellungen vor 1900 wurden die Farbholzschnitte japanischer Künstler ausgestellt und wurden von europäischen Künstler*innen als Inspiration aufgenommen. Vor allem die Werke von Katsushika Hokusai beeinflussten den neu entstehenden Jugendstil stark.

Manufakturen

Goldscheider Wien

  • 1885 Gründung durch Friedrich Goldscheider in Wien
  • 1897 Tod des Firmengründers, seine Witwe Regina, sein Bruder Alois und Walter führen die Firma fort
  • neue Künstler wie Friedrich Gornik, Ida Lehman, Otto Hofner und Johanna Meier werden angeworben, sie alle wurden an der Wiener Kunstgewerbeschule u.a. von Kolo Moser und Arthur Strasser ausgebildet
  • weiterhin Fertigung antiker Figuren und Masken, hinzu kommen Tierplastiken und Tänzerinnen sowie Frauengestalten
  • Werkstoffe waren Terrakotta, Bronze, Marmor, Zinn u.a.
  • 1900 Patentanmeldung für die Dekorierung plastischer Gegenstände
  • 1938 Arisierung, Emigration der Familie nach England und in die USA
  • 1950 Rückkehr Walter Goldscheiders nach Wien, Verkauf der Marke an das deutsche Unternehmen Carstens
Figur "am Brunnen" Firma Goldscheider
Figur “Am Brunnen” der Firma Goldscheider
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0
Venus mit Papagei - Adolf Oppel - Rosenthal
Venus mit Papagei von Adolf Oppel (1840-1923) Stuttgart – Manufaktur Rosenthal
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Rosenthal

  • 1879 Gründung des Unternehmens durch Philipp Rosenthal, Übersiedlung von Werl nach Selb
  • 1897 Gründung der Firma „Bauer, Rosenthal & Co.“, die noch im selben Jahr in die neue gegründete Firma „Philipp Rosenthal & Co. AG“ eingegliedert wird
  • 1908 Kauf der Porzellanmanufaktur „Zeidler & Co.“, später umbenannt in „Bahnhof Selb“
  • 1921 Übernahme der „Krister Porzellan-Manufaktur“
  • 1945 Verlust der Krister Manufaktur
  • 1951 Wiederbelebung der Marke Krister
  • 1971 Einstellung der Marke Krister
  • 1934 Philipp Rosenthal muss sich aufgrund seiner jüdischen Abstammung aus der Firma zurückziehen
  • 1937 Tod von Philipp Rosenthal
  • 1936 Kauf der Porzellanmanufakturen „Waldershof“ und „Thomas“
  • 1939 Umwandlung in die „Rosenthal Porzellan AG“
  • 1950 Eintritt von Philipp Rosenthal Junior in die Firma
  • 1965 Umbenennung in „Rosenthal Glas & Porzellan AG“
  • 1969 Umbenennung in „Rosenthal AG“
  • 1997 Übergang der Firma an die britisch-irische Firma Waterford-Wedgwood
  • 2000 Übernahme von Hutschenreuther, Selb
  • 2009 Insolvenz und Verkauf an den italienischen Konzern Sambonet Paderno, Gründung der Rosenthal GmbH

Künstler

Emil Cauer, der Jüngere

  • (1867-1946)
  • Bildhauer
  • Bildhauerlehre bei seinem Vater Karl Cauer (1828-1885)
  • 1886/7 Lehre bei seinem Onkel Robert Cauer (1831-1893) in Rom
  • 1888 Umzug nach Berlin und Studium bei Otto Lessing (1846-1912) an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin
  • 1898 Gründung eines eigenen Ateliers in Berlin
  • 1903 „Wasserschöpferin“ in Marmor auf der Berliner Kunstausstellung präsentiert und von Kaiser Wilhelm II. gekauft (1859-1941), heute vor der Berliner Nationalgalerie
Emil Cauer "Die Wasserschöpferin"
Die “Wasserschöpferin” von Emil Cauer im Jugendstilforum Bad Nauheim – Jugendstil und Bad vereint
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Lebensreformbewegung

Die Zeit um 1900 war eine Zeit der Reformbewegungen. Die junge Generation stellte im Grunde alles bisher Dagewesene in Frage, egal ob es Kleidung, Ernährung, Kunst, Sozialstruktur und die Stellung der Frau in der Gesellschaft oder auch die Herstellungsformen verschiedener Produkte betraf. In dieser Hinsicht ist diese Fin de siècle unserer heutigen Zeit näher, als man aufgrund der 100 Jahre, die dazwischen liegen, meinen könnte.
Kritik wurde vor allem an der Industrialisierung, dem Materialismus und der Urbanisierung geübt. Zurück aufs Land wollte man, wieder näher an die Natur und Dinge wieder selber produzieren. Dabei war es vor allem das mittelalterliche Handwerk, das als Vorbild diente.
In England war es die Arts-and-Crafts-Bewegung, die diese Gedanken zuerst äußerte und versuchte in die Tat umzusetzen und damit einen neuen Stil, der dann als Art Nouveau, Sezessionsstil oder eben Jugendstil die Welt eroberte, initiierte.
Aus heutiger Perspektive sind einige dieser Bewegungen durchaus kritisch zu betrachten, da sie auf reaktionären Ideen basierten. Andere Teile jedoch sind bis heute eher als modern anzusehen.
Aus den Reformbewegungen hervorgegangen sind z.B. die Reformhäuser, die es noch heute gibt, ebenso wie die Reformkleider, die Frauen eine neue Freiheit ermöglichten und das Korsett überflüssig machten.
Zu den bekanntesten Bewegungen jener Zeit gehören sicherlich das Siedlungsexperiment Monte Verità und die Gartenstadtbewegung, die auch in Bad Nauheim ihre Spuren hinterlassen hat.
Zu den bekanntesten Gestalten der Lebensreformbewegung zählen der Erfinder des Müslis und der Vollwertkost Maximilian Bircher-Benner (1867-1939) und der Pfarrer und Naturheilkundler Sebastian Kneipp (1821-1897).

Kurbäder um 1900

Die Belle Époque, jene Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, war eine der Blütephasen der Kurbäder in ganz Europa. Wer etwas auf sich hielt, das nötige Geld hatte und dazugehören wollte, der reiste – zumindest im Sommer – ins Bad. Hier widmete man sich seiner Gesundheit, egal ob man gerade wirklich krank war oder nicht, man ließ es sich wohlergehen und man sah und wurde gesehen.
Schon im 18. und frühen 19. Jahrhundert hatten Bäderreisen in bekannte Kurorte eine wichtige Rolle für die Mitglieder der oberen Schichten eine enorme Rolle gespielt. Denken wir nur an Johann Wolfgang von Goethe und seine Reisen in die tschechischen Kurbäder oder auch nach Bad Pyrmont.
Nun aber, in der Zeit der Jahrhundertwende kamen neue Kurbäder hinzu und machten den alten Luxusbädern den Rang streitig. Bad Nauheim ist ein solches Kurbad, das erst im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Mode- und Luxusbad aufstieg und dann letztlich zum Drei-Kaiserinnen-Bad avancierte, nicht zuletzt durch die hier ansässigen und sehr renommierten Ärzte. Auch der Großherzog Ernst Ludwig trug viel zum Aufstieg von Bad Nauheim bei, denn er war mit dem Hochadel halb Europas verwandt.
Die Zeit um 1900 ist aber deshalb für die Kurbäder eine besondere Zeit gewesen, weil es sich zunehmend mehr Menschen leisten konnten, zumindest eine kürzere Kur zu machen und so die Zahl der Gäste stetig anwuchs. Hinzu kam die wachsende Globalisierung und Reiselust der Menschen in aller Welt. So wurde es völlig normal, dass große Kurbäder und Modebäder regelmäßig auch von Gästen aus Russland, den USA und auch Indien aufgesucht wurden. Diese internationalen Gäste wurden so häufig, dass für sie sogar eigene Gotteshäuser in den Kurbädern entstanden.