Skandinavisches Porzellan … das Licht des Nordens
Das „Licht des Nordens“, so lautete vor 35 Jahren der Titel einer Ausstellung in Düsseldorf. In dieser Ausstellung ging es nicht um skandinavisches Porzellan; zu sehen war in dieser Ausstellung vielmehr erstmals skandinavische Malerei in großer Zahl. Zuvor hatte man die Kunst der skandinavischen Länder immer auf Edvard Munch reduziert, vielleicht noch auf Akseli Gallen-Kallela oder Anders Zorn. Durch diese Ausstellung aber kam diese Kunst des hohen Nordens auch in das Bewusstsein der Mitteleuropäer.
Dieses „Licht des Nordens“ spiegelt sich aber nicht nur in der Malerei, es findet sich auch in der Keramik jener Länder wie Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland wieder. Daher haben wir auch diesen Untertitel gewählt.
Der skandinavische Jugendstil hat sich nicht losgelöst vom Jugendstil des restlichen Europa entwickelt, aber er hat seine eigene und ganz besondere Handschrift entwickelt, die ihren Ursprung in der teils so anderen Lebensweise hat. So manch Alltägliches wird im Norden Europas einfach anders gemacht: Anders zum Beispiel ist, dass man sich mit Freunden eher nicht in Restaurants zum Essen trifft, sondern daheim. So liegt ein besonderes Augenmerk auf der Tischdekoration, der Tisch muss einfach kultiviert sein, er soll das Essen und den gemeinsamen Abend verschönern. Skandinavisches Porzellan hat also eine ganz besondere Bedeutung im Leben der Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Jugendstil und skandinavisches Porzellan
Dieses Augenmerk auf die heimische Tafel erklärt, warum ausgerechnet in Skandinavien so viel Porzellan produziert wurde und bis heute wird und warum auch die Zeit des Jugendstils hier ganz besonders wirkte.
Denn, wie Gabriele Fahr-Becker schrieb: „ging die Erneuerung des Porzellandekors nicht von den alten Manufakturen Meißen, Sèvres oder Berlin aus, sondern von einer, die, wenn auch alt, niemals führend gewesen war: von der Kongelige Porcelainsfabrik, der Königlich Dänischen Porzellanfabrik, Kopenhagen. Daneben spielte zeitweise die schwedische Manufaktur Rørstrand eine bedeutende Rolle.“
Die Erzeugnisse dieser beiden Manufakturen, ergänzt durch die der ebenfalls dänischen Manufaktur Bing & Grøndahl stellen wir in diesem ersten Ausstellungsbereich vor. Zu sehen sind nicht nur Serviceteile, sondern vor allem auch figürliches Porzellan, das hier in besonderer Weise gefertigt wurde.
In unserer Ausstellung “Jugendstilkeramik – Tendenzen einer neuen Zeit” präsentieren wir skandinavische Keramik aus den Manufakturen Royal Copenhagen, Bing & Grøndahl und Rörstrand.
Royal Copenhagen – Den kongelige Porcelænsfabrik
Als die Zeit des Jugendstils anbrach war die königliche dänische Porzellanmanufaktur bereits gut 100 Jahre alt. Gegründet worden war sie 1775 durch den Apotheker Frantz Heinrich Müller (1732-1820) schon bald aber geriet die Manufaktur in finanzielle Schieflage und wurde durch das dänische Königshaus übernommen. Im Jahr 1868 erfolgte eine Reprivatisierung. Der endgültige Durchbruch für die Manufaktur gelang aber erst, als sie 1882 durch die Fayencefabrik Aluminia aufgekauft wurde. Die Produktionsstätte wurde nach Frederiksberg verlegt und 1884 der Maler und Architekt Emil Arnold Krog eingestellt, der 1891 zum künstlerischen Leiter befördert wurde. Diese Position hatte Krog bis ins Jahr 1916 inne. Mit ihm veränderte sich das der Stil des dänischen Porzellans massiv und japanische Einflüsse fanden ihren Weg nach Dänemark.
Der endgültige Durchbruch gelang Royal Copenhagen auf der Weltausstellung des Jahres 1889 in Paris. Das von Arnold Krog entworfene Porzellan mit Unterglasurmalerei fand hier enormen Anklang. Die Dekore entsprangen der dänischen Flora und Fauna, ihre Stilisierung und die Komposition der einzelnen Motive jedoch war von japanischen Farbholzschnitten beeinflusst, vor allem von Katsushika Hokusai.
Künstler – Royal Copenhagen
Arnold Krog
- (1856-1931)
- seit 1884 bei Royal Copenhagen
- 1886 Besuch bei Samuel Bing in Paris und Kontakt zur japanischen Kunst von Hokusai, Utamaro und Hiroshige
- seit 1885 bzw. 1891 künstlerischer Leiter bei Royal Copenhagen
gemeinfrei, via Wikimedia Commons
Erik Nielsen
- (1857-1947)
- Bildhauer
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0
Theodor Madsen
- (1880-1965)
- Bildhauer
- 1898-1902 Ausbildung an der Königlichen Akademie der Schönen Künste
- anschließend Modellbauer bei Royal Copenhagen
Carl Frederik Liisberg
- (1860-1909)
- Porzellanmaler und Bildhauer
- 1885 Anstellung bei Royal Copenhagen
Knud Kyhn
- (1880-1969)
- Maler, Illustrator und Keramikbildhauer
- 1903-10 / 1924-32 und
- 1936-67 bei Royal Copenhagen
- 1908-15 und 1933-35 bei Bing & Grøndahl
Christian Thomsen
- (1860-1921)
- Bildhauer
- 1898 Anstellung bei Royal Copenhagen
Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0
Bing & Grøndahl – Skandinavisches Porzellan
Ebenfalls in Dänemark ansässig ist die Porzellanmanufaktur Bing & Grøndahl. Gegründet wurde die Manufaktur im Jahr 1853 von Frederik Vilhelm Grøndahl (1819-1856) und den Brüdern Meyer Hermann Bing (1807-1883) und Jacob Herman Bing (1811-1896) in der Nähe Kopenhagens. Grøndahl hatte zuvor bei der Königlich Dänischen Porzellanmanufaktur als Figurenbildner gearbeitet.
Die Firma spezialisierte sich zunächst auf die Herstellung klassizistischer Figuren. Biskuitporzellan und unglasiertes Hartporzellan waren die bevorzugten Materialien. Schnell wurden die Figuren populär und die Firma konnte expandieren.
In der Zeit des Jugendstils waren es zunächst vor allem Fanny Garde und Effie Hegermann-Lindencrone, die die Produktlinie von Bing & Grøndahl prägten und das neue dänische Porzellan etwa auf der Weltausstellung 1889 in Paris bekannt machten.
Später kamen der dänische Bildhauer Jens Peter Dahl-Jensen, als Modellmeister und Ingeborg Plockross-Irminger hinzu, die ebenfalls mit Unterglasurmalerei arbeiteten.
Künstler – Bing & Grøndahl
Jens Peter Dahl-Jensen
- (1874-1960)
- 1894 – 1897 Studium an der Akademie der schönen Künste Kopenhagen
- 1897 – 1917 Modellmeister der Porzellanfirma Bing & Grøndahl
- 1917 – 1925 künstlerischer Direktor der Porzellanfabrik Norden
Fanny Garde
- (1855-1928)
- Porzellanmalerin
- 1876 -1884 Studium und Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule für Frauen (Tegne- og Kunstindustriskolen for Kvinder) in Kopenhagen, hier lernte sie auch Effie Hegermann-Lindencrone kennen
- 1886 Anstellung bei Bing & Grøndahl
Effie Hegermann-Lindencrone
- (1860-1945)
- Studium an der Kunstgewerbeschule für Frauen (Tegne- og Kunstindustriskolen for Kvinder) in Kopenhagen
- 1886 Anstellung bei Bing & Grøndahl
Foto: gemeinfrei, via Wikimedia Commons
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Ingeborg Plockross-Irminger
- Studium bei Aksel Hansen
- Studium bei Emilie Mundt und Marie Luplau
- 1893-1899 Studium an Det Kongelige Danske Kunstakademi
- 1908 Hochzeit mit dem Maler Valdemar Irminger
- arbeitete als Malerin und Porzellanmalerin und war nicht bei Bing & Grøndahl angestellt
Rörstrand – Skandinavisches Porzellan
Die schwedische Porzellanmanufaktur Rörstrand gilt nach Meißen als zweitälteste Porzellanmanufaktur Europas. Gegründet wurde die Firma im Jahr 1726 vom deutschen Johann Wolff und einem Konsortium aus Kaufleuten und Adligen. Dabei waren die Produkte zunächst keineswegs aus Porzellan, denn dazu fehlten die Kenntnisse; vielmehr waren es Fayencen, die hergestellt wurden. Erst in den 1870er Jahren begann Rörstrand mit der Produktion von Feldspatporzellan und 1869 mit der Produktion von Majolika.
Bereits seit den 1830er Jahren verzeichnete die Firma ein stetiges Wachstum und zählte in den 1860er Jahren zu den größten Fabriken Schwedens.
Prägend für die Zeit des Jugendstils wurde bei Rörstrand der in Stockholm geborene Maler, Grafiker und Designer Alf Wallander. Er hatte 1896 bei Rörstrand als künstlerischer Assistent begonnen und wurde 1900 zum künstlerischen Leiter ernannt. Bis heute gilt er als die prägendste Gestalt des schwedischen Jugendstils.
Er prägte das Aussehen des Rörstrand-Porzellans im Jugendstil, das sich vor allem durch reliefartige Pflanzenmotive auszeichnete, die über das eigentliche Gefäß hinauswuchsen. Die Farben sind zart und gedeckt und vor allem die Tafelgeschirre jener Zeit gelten bis heute als Paradebeispiele schönen Porzellans.
Künstler Rörstrand
Alf Wallander
- (1862-1914)
- 1887 Handwerksschule Stockholm
- 1880-1885 Studium an der Kungliga Akademien för de fria konsterna
- 1885-1889 Studium in Paris bei Aimé Morot und Jean-Joseph Benjamin-Constant
- 1889 auf der Weltausstellung in Paris ausgezeichnet
- 1890 Rückkehr nach Schweden
- 1896 künstlerischer Assistent bei Rörstrand
- 1900 – 1907 künstlerischer Leiter bei Rörstrand
via Wikimedia Commons
Foto: gemeinfrei
via Wikimedia Commons
Nils Emil Lundström
- (1865-1960)
- Keramiker, Maler, Designer
- 1885-1889 Studium in Düsseldorf an der Kunstakademie
- 1889-1892 Studium an der Akademie für bildende Künste in Stockholm
- 1892-1894 Selbststudium in Berlin
- 1896 – 1935 Anstellung bei Rörstrand als Musterdesigner
Anna Boberg
- (1864-1935)
- Malerin
- arbeitete mit Porzellan und Textilien
- 1882 erste Anfänge als Malerin
- 1884 Hochzeit mit dem Architekten Ferdinand Boberg
- 1888 1. Ausstellung
- ab ca. 1897 Arbeiten für Rörstrand
Foto: gemeinfrei via Wikimedia Commons
Algot Eriksson
- (1868-1937)
- Keramiker
Astrid Ewerlöf
- (1876-1927)
- 1893-1896 Studium an der Tekniska skolan in Stockholm
- 1896-1899 Studium an der Konstfack als Zeichenlehrerin, später Wechsel in den Bereich Musterzeichnen
- 1899-1926 Anstellung bei Rörstrand, wo sie vor allem mit Ruben Rising zusammenarbeitete
Ruben Rising
- (1869-1929)
- Bildhauer, Keramiker
- ab Mitte 1890er Jahre Anstellung bei Rörstrand
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