Waechtersbach … Geometrie und Ornament

Nachdem im Ysenburg-Waechtersbachschen Forst 1829 ein Vorkommen von weißem Ton gefunden worden war, beschloss Graf Adolf zu Ysenburg im Jahr 1832 die Gründung der Steingutfabrik Waechtersbach. Die Firma wurde schnell erfolgreich und wurde ausgebaut. So entstand zum Beispiel schnell eine eigene Zierformerei.
Es war die Innovationsfreudigkeit, die das Unternehmen auszeichnete und ihm zu einem schnellen Aufstieg verhalf. So wurde etwa bei Waechtersbach durch Max Roesler der weltweit erste Unterglasur-Buntdruck entwickelt.
Roesler wurde 1878 zum Direktor der Steingutfabrik ernannt und förderte die Entwicklung zukunftsorientierter Techniken. Als er im Jahr 1890 das Unternehmen verließ, gehörte Waechtersbach zu den erfolgreichsten und innovativsten Steingutherstellern Deutschlands.
Nach Roeslers Weggang dauerte es einige Jahre bis wieder ein ähnlich innovativer Mann die Geschicke der Firma in seine Hände nahm und einen neuen Weg in Richtung Jugendstil einschlug: Christian Neureuther.

Das „Keramische Atelier Waechtersbach Christian Neureuther“

Christian Neureuther wurde am 19. Januar 1868 in Untersotzbach in Hessen geboren und trat bereits als Lehrling in die Firma Waechtersbach ein. Sein Talent führte dazu, dass man ihn 1886 auf Firmenkosten in die Zeichen-, Mal- und Modellierschule zu Lorenz Hutschenreuther nach Thüringen schickte, wo er knapp zwei Jahre blieb. Auch eine zweite zusätzliche Ausbildung an der Königlichen Kunstgewerbeschule in München zwischen 1892 und 1893 wurde von der Firma bezahlt.
Erste Entwürfe im neuen Stil – dem Jugendstil – finden sich von Christian Neureuther ab dem Jahr 1897. Offenbar dauerte es aber eine Weile, bis man auch seitens der Firma erkannte, dass dieser Stil zukunftsweisend war, denn erste Produkte im Jugendstil sind erst seit dem Jahr 1899 im Waechtersbacher Programm. In diesen Anfangsjahren waren es vor allem florale Motive, die in der Steingutfabrik umgesetzt wurden.
Endgültig durchgesetzt hat sich der Jugendstil bei der Firma Waechtersbach im Jahr 1901 mit der Gründung des „Keramischen Ateliers Waechtersbach Christian Neureuther“. Ab diesem Zeitpunkt tragen alle Arbeiten das Wappenschild der Ysenburger und die Buchstaben K.A.W.C.N. als Kürzel des Ateliers.
Als dem Unternehmen zugehörige aber dennoch selbständige Abteilung arbeitete das Atelier Neureuthers dann ab 1903. Produziert wurden vor allem Vasen, Wandteller, Serviertafeln und Blumenschalen. Ab den 1910er Jahren kamen dann auch figürliche Arbeiten hinzu.
Das Markenzeichen des Keramischen Ateliers Neureuthers wurden Spiralornamente und Efeublätter, die sich in den meisten seiner Produkte wiederfinden.
Im Jahr 1923, zwei Jahre nach dem Tod Christian Neureuthers, wurde das Atelier für immer geschlossen.

Waechtersbach, Neureuther und die Darmstädter Künstlerkolonie

Bereits vor Gründung des Keramischen Ateliers von Christian Neureuther hatte es erste Kontakte zur Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe gegeben. Durch diesen Kontakt inspiriert erfand er, wie im Prospekt zur Ausstellung „Christian Neureuther – Der Erfinder des Waechtersbacher Jugendstils – zum 150. Geburtstag“ zu lesen steht „eine vollkommen neuartige Formensprache, die als „Waechtersbacher Jugendstil“ in die Kunstgeschichte einging“. Es waren vor allem Joseph Maria Olbrich und Hans Christiansen, die prägend auf Neureuther wirkten und jene Dekore beeinflussten, die eher zurückgenommen und geometrisch daherkommen.
In dieselbe Richtung wie Neureuthers ursprüngliche und ausgesprochen florale Entwürfe hingegen, gehen jene Objekte, die von den ebenfalls in Darmstadt wirkenden Künstlern Paul Haustein, Paul Bürck und Patriz Huber inspiriert wurden.
Schon bald ließ die Künstlerkolonie die in Darmstadt entworfenen Keramik- und Porzellanobjekte, insbesondere Geschirre bei Waechtersbach fertigen.

Künstler bei Waechtersbach

Joseph Maria Olbrich

  • (1867-1908)
  • österreichischer Designer und Architekt
  • 1882-1886 Architekturklasse der Wiener Staatsgewerbeschule
  • 1890-1893 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien
  • 1893 Eintritt in das Architekturbüro von Otto Wagner
  • 1896 Auftrag für das Ausstellungsgebäude der Wiener Secession
  • 1899 Berufung in die neue gegründete Darmstädter Künstlerkolonie durch Großherzog Ernst Ludwig zu Hessen und bei Rhein
  • 1900 Verleihung des Professorentitels durch den Großherzog
  • 1906 Auftrag für den Bau des Warenhauses Tietz in Düsseldorf
Joseph Maria Olbrich
Joseph Maria Olbrich
Foto: gemeinfrei, via Wikimedia Commons
Hans Christiansen Darmstädter Künstlerkolonie
Hans Christiansen, um 1901
Foto: gemeinfrei via Wikimedia Commons

Hans Christiansen

  • (1866-1945)
  • deutscher Kunsthandwerker und Maler
  • 1888 Kunstgewerbeschule München
  • anschließend Italienreise und Arbeit als Dekorationsmaler in Hamburg
  • 1892 Veröffentlichung seines Buches „Neue Flachsornamente“
  • 1895 Studium in Paris an der Académie Julian
  • 1899 Berufung an die Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe, hier entwarf er vor allem Möbel, Keramik, Glasmalereien und Schmuck
  • ab 1911 Dozent an der Kunstgewerbeschule Wiesbaden
  • in der Zeit des Nationalsozialismus wegen seiner Ehe mit einer Jüdin aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen

Paul Haustein

  • (1880-1944)
  • deutscher Goldschmied, Medailleur und Buchgestalter
  • Besuch der Kunstgewerbeschulen in Dresden und München
  • 1901 gab er mit Peter Behrens und Richard Riemerschmid kunstgewerbliche Meisterkurse in München
  • 1904 Berufung an die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt
  • 1905-1907 Lehrer für das Metallfach an der Königlichen kunstgewerblichen Lehr- und Versuchswerkstätte in Stuttgart
  • 1907-1944 Professor ebenda
  • 1938-1940 Direktor der Württembergischen Staatlichen Kunstgewerbeschule
Paul Haustein Darmstädter Künstlerkolonie
Kissen mit Stickerei von Paul Haustein,
Bild aus: Das Deutsche Kunstgewerbe 1906, S. 242
Paul Bürck Darmstädter Künstlerkolonie
Einladungskarte für die 1. Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie 1901 von Paul Bürck
gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Paul Bürck

  • (1878-1947)
  • deutscher Maler, Graphiker und Textildesigner
  • 1894-1897 Ausbildung zum Dekorationsmaler und Besuch der Kunstgewerbeschule München
  • 1899 Berufung in die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt durch Großherzog Ernst Ludwig
  • 1902-1904 Lehrer für Buchdruck und Lithographie an der Kunstgewerbe- und handwerkerschule Magdeburg
  • 1905-1908 Studienaufenthalt in Rom
  • danach-1947 freischaffender Maler und Graphiker in München

Patriz Huber

  • (1878-1902)
  • deutscher Kunsthandwerker und Schmuckdesigner
  • Besuch der Kunstgewerbeschulen in Mainz und München
  • 1898 Gewinn eines Wettbewerbs der Zeitschrift „Innen-Dekoration“
  • 1899 Berufung in die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt
  • 1902 Umzug nach Berlin und Selbstmord
Patriz Huber - Darmstädter Künstlerkolonie - Waechtersbacg
Patriz Huber
Foto: gemeinfrei, via Wikimedia Commons