Sie prägten einen Stil: Liberty – Tiffany

Im anglo-amerikanischen Raum prägten zwei Personen die Entwicklung des Modern Style, wie man hier den Jugendstil nannte: Arthur Lasenby Liberty und Louis Comfort Tiffany.
Der Amerikaner Tiffany ist noch immer in aller Munde mit jenen Lampen, die bis heute seinen Namen tragen.
Im Gegensatz zu Tiffany war der Brite Liberty kein Künstler sondern ein Kaufmann, der ein untrügliches Gespür für die moderne Kunstrichtung hatte. In seinen eigenen Werkstätten ließ er entsprechendes Kunsthandwerk produzieren.
Sowohl für Liberty als auch für Tiffany arbeiteten zahlreiche Künstler:innen, die den neuen Stil nicht nur im angloamerikanischen Raum prägten, sondern auch in Kontinentaleuropa. Die kunsthandwerklichen Produkte beider Produzenten wurden weltweit verkauft und fanden großen Anklang.

Louis Comfort Tiffany, ca. 1908
Louis Comfort Tiffany, ca. 1908

Louis Comfort Tiffany

Der Name Louis Comfort Tiffany ist wie kein zweiter mit der Glaskunst der Jugendstil- und Art Nouveau-Epoche verbunden. Sein Name wurde zu einem Synonym für farbiges und schillerndes Glas.
Geboren wurde der Unternehmer, Maler und Glaskünstler am 18. Februar 1848 in New York. Während des Besuchs einer Militärakademie in deren Nähe der Landschaftsmaler George Inness (1825-1894) lebte, erlernte er bei ihm die ersten Grundlagen der Malerei. 1866 unternahm Tiffany eine Reise durch England, Irland, Frankreich und Italien, wo er endgültig beschloss Malerei zu studieren. Nach seiner Rückkehr stellte er seine Bilder in der National Academy of Design aus und brach 1868 erneut zu einer Europareise auf. Diese Reise führte ihn dann sogar bis Nordafrika und sollte sein späteres Werk stark beeinflussen. In Nordafrika kam er mit jahrtausendealten Gläsern in Berührung, die bei Ausgrabungen in Ägypten entdeckt worden waren und die ihn später zu seinen Favrile-Gläsern inspirierten. Außerdem nahm er währenddessen auch die große Begeisterung für ostasiatische, speziell japanische Kunst auf.
1876 machte er während seiner Tätigkeit für die Louis Heidt Glass Factory erste Versuche mit dem Werkstoff Glas und gründete 1885 die Tiffany Art Glass Company in New York, die 1892 in Tiffany Glass and Decorating Company umbenannt wurde.
Für die Tiffany Studios Women’s Glass Cutting Departement, kurz Tiffany Girls genannt, stellte er 1888 Clara Driscoll ein (1861-1944). Sie wurde später auch Leiterin der Abteilung.
1893 kam mit der Stourbridge Glass Company, die 1902 in Tiffany Furnaces umbenannt wurde, ein weiteres Unternehmen hinzu. Der Gründung vorausgegangen war ein Auftrag des US-Präsidenten Chester A. Arthur (1829-1886). Der Präsident hatte ihn mit der Neugestaltung der Staatsräume des Weißen Hauses betraut. Im gleichen Jahr stellte Tiffany auf der Weltausstellung in Chicago erstmals seine Lampen der Öffentlichkeit vor. Hierdurch wurden sie zunächst in Deutschland bekannt. Durch die seit 1894 bestehende Zusammenarbeit mit dem deutschen Kunsthändler Siegfried Bing (1838-1905) in dessen Pariser Maison de l’Art nouveau Tiffanys Produkte verkauft wurden, wurden sie auch in Frankreich bekannt.
1902 übernahm Louis Comfort auch das später durch den Audrey Hepburn Film weltbekannt gewordene Juweliergeschäft Tiffany & Co. von seinem Vater Charles Louis Tiffany (1812-1902).
Louis Comfort Tiffany zog sich 1919 aus dem aktiven Geschäft zurück, behielt aber seinen Posten als Direktor bis die Firma 1928 ihre Produktion einstellte. Er starb am 17. Januar 1933 in New York.

Vase Tiffany

Im Jahr 1894 erwarb Louis Comfort Tiffany das Patent auf ein schillerndes Kunstglas, das als Favrile-Glas bezeichnet wird. Doch im Unterschied zu anderen irisierenden Gläsern ist bei Favrile die Farbe im Glas selbst enthalten. Im Jahr 1900 gewann Louis Comfort Tiffany mit diesem neuen Glas eine Goldmedaille auf der Pariser Weltausstellung.

Arthur Lasenby Liberty

Arthur Lasenby Liberty, Porträt von Arthur Hacker, 1913
Arthur Lasenby Liberty, Porträt von Arthur Hacker, 1913

Arthur Lasenby Liberty wurde 1843 im englischen Chesham als Sohn eines Textilhändlers geboren. Sein Onkel, der Spitzen verkaufte, nahm ihn mit 16 in die Lehre bis er für eine weitere Lehrzeit zu einem mit Wein handelnden Onkel wechselte. Nach einer kurzen Zwischenstation bei einem Tuchmacher wechselte Liberty zu Farmer and Rogers, einem Unternehmen, das sich auf Damenmode spezialisiert hatte. Da er hier nicht zum Partner aufsteigen konnte, eröffnete Arthur Liberty 1875 sein eigenes Geschäft unter dem Namen Liberty & Co auf der Londoner Regent Street. Hier verkaufte er zunächst vor allem Stoffe und Kunstgegenstände aller populären Stilrichtungen. Mit der Zeit jedoch entwickelte man bei Liberty einen eigenen und unverwechselbaren Stil, der vor allem auf den Ideen des Aesthetic Movement und dem Jugendstil bzw. Art Nouveau fußte. Dieser Stil wurde so einflussreich, dass die gesamte Stilepoche des Jugendstils und der Art Nouveau in Italien als Stile Liberty bezeichnet wurde.
Aufgrund seiner Verdienste wurde Arthur Lasenby Liberty 1913 zum Ritter geschlagen und trug seither den Titel Sir. Er starb am 11. Mai 1917. Seinen Grabstein entwarf sein Chefdesigner Archibald Knox.

Liberty-Künstler:innen

Rex (Reginald) Silver

Rex Silver

Der 1879 geborene Reginald Silver, genannt Rex, übernahm im Jahr 1901 das Silver Studio und leitete es bis zu seiner Schließung im Jahr 1963. Gegründet worden war das Studio 1880 von seinem Vater Arthur Silver (1853-1896). Es entwickelte sich zu einem der einflussreichsten Textildesignstudios in Großbritannien. Neben Textilien entwarf das Studio auch Designs für Gebrauchsgegenstände aus Metall.
Die wichtigsten Kunden des Silver Studio waren Liberty’s, Turnbull und Stockdale, Sanderson und Warner and Sons Ltd. In seiner Glanzzeit entwarf das Studio mehr als 800 Designs pro Jahr und war vor allem für seine unverwechselbaren Jugendstildesigns bekannt, die einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des unverkennbaren Liberty-Stils hatten.
Rex Silver starb im Jahr 1965. Die von ihm und dem Silver Studio erstellten Designs wurden von seiner Stieftochter und Erbin Mary Peerless dem Hornsey College of Art geschenkt.

Oliver Baker

Oliver Baker

Der englische Maler, Designer und Silberschmied Oliver Baker wurde 1856 in Birmingham geboren. Er studierte zunächst bei seinem Vater Samuel Henry Baker (1824-1909), der Landschaftsmaler war und danach an der Birmingham School of Art. 1883 begann er mit eigenen Ausstellungen an der Royal Academy und wurde 1844 Mitglied der Royal Birmingham Society of Artists.
Bei Liberty war er maßgeblich an der Entwicklung der Cymric-Silberwarenlinie beteiligt.
Oliver Baker starb im Jahr 1939.

Jessie Mario King

Jessie Marion King
Jessie Marion King Foto: Public Domain, via Wikimedia Commons
Jessie Marion King

Die Illustratorin Jessie Marion King wurde 1875 im schottischen Bearsden geboren. Obwohl ihre Familie sie davon abhalten wollte Künstlerin zu werden, begann sie 1891 eine Ausbildung zur Kunstlehrerin am Queen Margaret College in Glasgow und trat 1892 in die Glasgow School of Art ein. Schon als Studentin erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.
1899 ernannte man sie zur Tutorin für Buchdekoration und -design an der Glasgow School of Art, wo sie bis zu ihrer Heirat mit dem ebenfalls aus Schottland stammenden Künstler Ernest Archibald Taylor (1874-1951) weiter unterrichtete.
Von Botticellis Werken wurde King auf einer Studienreise nach Deutschland und Italien beeinflusst, die sie 1902 unternahm. Im folgenden Jahr wurde sie Mitglied der Glasgow Society of Artists und trat 1905 auch der Glasgow Society of Lady Artists bei.
Nach einem Umzug in die Nähe von Glasgow im Jahr 1908 und der Geburt ihrer Tochter Merle Elspeth (1909-1985) zogen King und ihr Mann 1910 nach Paris. 1911 eröffneten beide die Sheiling Atelier School in Paris. In ihrer Pariser Zeit hatte Jessie Marion King Kontakt zu Léon Bakst (1866-1924) und seinen modernen Entwürfen für das Ballets Russes.
1915 kehrten King und ihr Ehemann nach Schottland zurück, wo sie bis zu ihrem Tod am 3. August 1949 arbeitete.
Als eines der Glasgow Girls entwarf Jessie Marion King vor allem Illustrationen u.a. für den Berliner Globus Verlag. Darüber hinaus entwarf sie Keramiken und Batik-Designs und veröffentlichte mehrere Bücher.

Jessie Marion King Titelblatt Album von Dresden und Sächsische Schweiz
Jessie Marion King Titelblatt “Album von Dresden und Sächsische Schweiz”
Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Archibald Knox

Archibald Knox
Archibald Knox
Archibald Knox

Der 1864 auf der Isle of Man geborene Archibald Knox war der wichtigste Designer von Liberty. 1880 schrieb er sich an der Isle of Man School of Art in Douglas ein, wo er 1889 seinen Master machte und dann dort als Lehrer arbeitete. Schon zu dieser Zeit entwickelte er ein starkes Interesse für die keltische Kunst und speziell für die Manx-Kunst und Kultur, die die keltischen Bewohner der Isle of Man bezeichnet.
In diese Zeit fällt auch seine Bekanntschaft mit dem der Arts and Crafts Bewegung angehörenden Architekten Baillie Scott (1865-1945), der ebenfalls an der Schule war.
Mitte der 1890er Jahre arbeitete Knox auch mit dem britischen Designer Christopher Dresser (1834-1904) zusammen, der eine führende Persönlichkeit im Aesthetic Movement war und als einer der wichtigsten Vertreter des anglo-japanischen bzw. Modern Style gilt.
Im Jahr 1897 wechselte Knox an die Redhill School of Art und begann für das Silver Studio zu arbeiten, das Liberty belieferte. Für Silver blieb er auch tätig, als er 1899 an die Kingston School of Art wechselte und 1900 auf die Isle of Man zurückkehrte, wo er bis 1904 mehr als 400 Designs für Liberty, vor allem für die Cymric– und Tudric Reihen herstellte.
1906 ging Archibald Knox zurück an die Kingston School of Art und unterrichtete zeitweilig auch an der Wimbledon Art School. Von seinem Posten als Chef der Design-Abteilung an der Kingston School trat er 1912 nach zunehmender Kritik an seiner Lehre zurück und gründete gemeinsam mit Studenten, die ihm folgten die Knox Guild of Design and Crafts.
1913 reiste er für einige Zeit in die USA, kehrte dann auf die Isle of Man zurück und unterrichtete ab 1919 bis zu seinem Tod am 22. Februar 1933 wieder an einigen Kunstschulen.

Archibald Knox Saliere
Archibald Knox Saliere Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Murrle, Bennet & Co.

Murrle, Bennet & Co.

Das Unternehmen Murrle, Bennet & Co. wurde 1896 gegründet. Es produzierte Schmuck im modernen Stil. Dabei wurden sowohl Einflüsse des Jugendstils, als auch der Art Nouveau und des Aesthetic Movement aufgenommen. Auch die keltische Motivwelt eines Archibald Knox fand Eingang in die Kollektionen.
Die Firma mit einer Dependance in Pforzheim trat vor allem als Großhändler auf. Man hatte Pforzheim als Standort gewählt, denn der Partner von J.B. Bennett Ernst Mürrle stammte hierher. Aufgrund dessen hatte das Unternehmen auch gute Kontakte zu Pforzheimer Schmuckherstellern wie Fahrner, dessen Produkte man auch vertrieb.

Stichworte und Themen

Aesthetic Movement

Das Aesthetic Movement, das auch als Ästhetizismus bezeichnet wird, nahm seinen Ausgang von England. Um 1860 begann es im Bereich der Literatur und dauerte ungefähr bis 1920. Wie der Name schon vermuten lässt stellt das Aesthetic Movement die Ästhetik, also das Schöne, in den Mittelpunkt des Lebens und erhebt es zum höchsten Wert. Dies galt nicht nur in der Kunst, sondern auch im Leben, im sozialen Umgang, der Ethik und der Religion.
Die Ideen der Bewegung wurzeln in Renaissance und Romantik und der Idee das gesamte Leben als Kunstwerk zu sehen.
Sowohl der Impressionismus, als auch der Symbolismus und vor allem auch Jugendstil und Art Nouveau wurden vom Ästhetizismus beeinflusst.
Der Slogan L’art pour l’art (Die Kunst für die Kunst) drückt wohl am besten die Ideen dieser Bewegung aus.

Arts-and-Crafts-Movement

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa 1920 war das Arts-and-Crafts-Movement die einflussreichste Kunstbewegung in Großbritannien. Männer wie der Architekt, Dichter und Kunstgewerbler William Morris (1834-1896) und der Maler, Schriftsteller und Sozialreformer John Ruskin (1819-1900) waren es, die die Theorie, die Philosophie aber auch die praktische Seite dieser Bewegung prägten. Dabei war Ruskin der Theoretiker und Morris der Praktiker.
Beide verfolgten eine Rückbesinnung auf das Handwerk, vor allem das mittelalterliche. Sie strebten eine Abkehr von der maschinellen Massenproduktion an und eine Hinwendung zu künstlerischen und handwerklich hergestellten Gegenständen, die den Alltag der Menschen verschönern sollten.
Ähnlich wie später die kontinentaleuropäischen Secessionisten und Jugendstilunterstützer, hatte auch das Arts-and- Crafts-Movement eine eigene Zeitschrift, die den Titel The Studio: An Illustrated Magazine of Fine and Applied Art trug. Das erste Titelblatt zeichnete der damals noch unbekannte Aubrey Beardsley (1872-1898), der zu einem der bedeutendsten Illustratoren und Graphiker der Bewegung werden sollte und dessen Werke u.a. auch in der deutschen Kunstzeitschrift Pan erschienen.
Neben den schon genannten Künstlern und Theoretikern war der Innenarchitekt Charles Rennie Mackintosh (1868-1928) mit seiner Gruppe The Four, zu der seine Frau Margaret MacDonald, deren Schwester Frances MacDonald McNair und deren Ehemann James Herbert McNair gehörten, einer der führenden Köpfe des Arts-and-Crafts-Movement.