Glas – Zerbrechliche Schönheiten

Wir beginnen unsere Ausstellung “Stilwende 1900 – Schönheiten einer Epoche” mit Jugendstilglas.
Es ist faszinierend, facettenreich und zerbrechlich.
Erfahren Sie auf dieser Seite mehr über die Objekte der Ausstellung und die Geschichte(n) dahinter.
Beginnen wir mit einer kleinen Geschichte des Werkstoffs Glas:

Eine kurze Geschichte vom Glas

Bernstein

Glas – natürlich schön
Glas ist einer der faszinierendsten Werkstoffe überhaupt. Es gab ihn schon lange bevor Menschen angefangen haben ihn herzustellen, denn Glas kann auch natürlich entstehen. Blitzeinschläge, Vulkanausbrüche oder auch Meteoriteneinschläge können Glas entstehen lassen und selbst Bernstein ist eigentlich Glas.

phönizische Glasperle

Menschen haben erstmals vor etwa 7.000 Jahren Glas hergestellt. Allerdings war es da nur ein Nebenprodukt, denn eigentlich sollte Keramik glasiert werden.
Die wirkliche Glasproduktion begann in Ägypten und Mesopotamien vor etwa 5.000 Jahren. die ersten Gegenstände, die aus Glas hergestellt wurden, waren Perlen.

Römisches Glas - Römermuseum Xanten - Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Die Römer nannten es vitrum und liebten es sehr, das Glas. Hergestellt wurde es von ihnen aus Flusssand und Natron aus Ägypten. Genutzt wurde Glas in römischer Zeit vor allem zur Herstellung von Karaffen, Fläschchen und Flakons.
Mit den Römern trat Glas seinen Siegeszug in ganz Europa an und dort, wo in spätantiker Zeit die Römer zurückgedrängt wurden, da begannen dann germanische Stämme mit der Produktion der zerbrechlichen Kostbarkeiten.

schalenförmige Vase Tiffany - Favrile-Glas

Die irisierenden Gläser der Jugendstilzeit sind eng verbunden mit der Archäologie. Man mag sich fragen warum, die Antwort ist recht simpel: Zwar gab es die Archäologie als solche schon sehr lange, aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts, verbunden mit Namen wie Heinrich Schliemann und Howard Carter hatte sie ihre absolute Glanzzeit. Die Ausgräber beförderten allerorten antikes Glas aus dem Boden und das war durch die lange Zeit in eben dem oxidiert und hatte eine Patina erhalten.
Diese schillernden Regenbogenfarben gefielen den Menschen, sie versuchten sie mit modernen Techniken künstlich herzustellen, was auch gelang und so wurden diese bunt glänzenden Gläser ein absoluter Modetrend.

Böhmisches Glas – eine lange Geschichte

Böhmische Glashütten im Gebiet zwischen Lausitzer Gebirge, Erzgebirge und Isergebirge blicken auf eine lange Geschichte zurück. Bereits seit Mitte des 13. Jahrhunderts sind Glashütten nachweisbar. Die Region bot sich für die Glasherstellung an, denn es gab drei unverzichtbare Rohstoffe: Holz, Wasser und Quarzsand.
Die ersten böhmischen Gläser waren grünlich bzw. gelblich, was mit der Menge von Eisenoxid und Kalkstein im Quarzsand zusammenhängt. Bis heute nennt man diese Glasart „Waldglas“.
Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde in Böhmen dann auch klares Glas hergestellt. Nicht zuletzt Kaiser, Könige und der hohe Adel trugen dazu bei, böhmisches Glas überall bekannt und zu einem gefragten Luxusgut zu machen.
Auch in der Zeit des Jugendstils war böhmisches Glas besonders gefragt und Firmen wie Loetz erhielten unzählige Preise auf den großen internationalen Ausstellungen.

Böhmisches Jugendstilglas

Johann Loetz Witwe

Johann Loetz Witwe

Klostermühle im Böhmerwald – die Heimat einer der wichtigsten Glashütten der Jugendstilzeit: Johann Loetz Witwe.
1836 wurde sie gegründet und hatte bis 1852 wechselnde Besitzer, bevor sie in den Alleinbesitz von Susanne Gerstner gelangte. Sie ist jene Witwe, die im Namen der Manufaktur auftaucht und die bis 1844 mit Johann Loetz, dem eigentlichen Namensgeber, verheiratet war.
Ihre Blütezeit erlebte die Glashütte unter der Ägide von Max Ritter von Spaun (1856-1909), dem Enkel von Susanne Gerstner. Er übernahm 1876 die Unternehmensleitung und machte durch neue Techniken und Designs „Johann Loetz Witwe“ zu einem der bedeutendsten Produzenten von Jugendstilglas in Mitteleuropa.
Angeregt durch die Ausstellung von Tiffany-Gläsern, organisiert von Siegfried Bing im Jahr 1897, begann man bei Loetz irisierende Gläser herzustellen. Vor allem der Maler Franz Hofstötter (1871-1958) prägte die neuen Designs der Glashütte und brachte ihr diverse Auszeichnungen ein, wie bspw. eine Silber- und eine Gold-Medaille auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900.
Der Name Loetz wurde nun in einem Atemzug mit denen von Tiffany, Gallé und Daum genannt.
Viele weitere Künstler:innen arbeiteten in der Folgezeit für Loetz, so z.B. Marie Kirschner, Otto Prutscher, Koloman Moser, Dagobert Peche, Michael Powolny oder auch Josef Hoffmann. Außerdem gab es eine recht intensive Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte und Glasverlegern wie Lobmeyer und Bakalowits.
Der 1. Weltkrieg jedoch bedeutete für das Unternehmen eine Zäsur von der es sich nicht mehr erholte. Die endgültige Schließung kam nach dem 2. Weltkrieg, als zahlreiche deutschstämmige Mitarbeiter:innen aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden.

Jugendstilglas von Johann Loetz Witwe – alle Fotos: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Wilhelm Kralik

Wilhelm Kralik – Jugendstilglas aus Südböhmen

Lenora, zu Deutsch Eleonorenhain, in direkter Nachbarschaft zur Glashütte Loetz, ist der Heimatort der Glashütte Wilhelm Kralik. Die Familien kannten sich nicht nur, sie tauschten sich offenbar auch über ihre Herstellungstechniken aus und so verwundert es nicht, dass auch bei Kralik irisierendes Glas bald hoch im Kurs stand.
Anders als Loetz arbeitete man bei Kralik aber nicht mit renommierten Künstler:innen zusammen, so dass die Entwürfe schlichter gehalten und weniger innovativ sind.

Jugendstilglas von Wilhelm Kralik – alle Fotos: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Elisabeth Glashütte – Pallme-König & Habel

Nordböhmisches Jugendstilglas aus der Elisabeth Glashütte

Nur ungefähr 60 Kilometer von Dresden entfernt lag die Elisabeth Glashütte. Der Schwerpunkt ihrer Glasproduktion lag im Bereich von Lüstergläsern, also metallisch schimmernden Gläsern, die organisch verformt waren und mit Glasfäden umsponnen waren. Auf diese Form von Gläsern besaß die Firma seit 1900 ein Patent.

Gegründet worden war die Manufaktur 1889 von den Brüdern Josef und Theodor Pallme-König gemeinsam mit Wilhelm Habel. Benannt wurde die Elisabethhütte nach der Mutter der Pallme-König Brüder. Zunächst wurde hier nur Rohglas gefertigt, erst die Eröffnung einer zweiten Hütte, geleitet von Wilhelm Habel unter dem Namen Pallme-König & Habel, Steinschönau und Kosten, begann dann das gut erkennbare Jugendstilglas in floraler Form zu fertigen.
Der 2. Weltkrieg bedeutete auch für die Elisabeth Glashütte das Aus.

Jugendstilglas von Elisabeth Glashütte – alle Fotos: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Jugendstilglas aus dem Porzellanland Schlesien

Anders als Böhmen ist Schlesien eher als Porzellanland bekannt geworden, aber auch hier im Riesengebirge gab es bereits seit dem 13. Jahrhundert Glashütten. Die Versorgung mit Rohstoffen war ähnlich gut wie in Böhmen und spätestens seit dem 17. Jahrhundert gab es auch in Schlesien bekannte und vor allem gefragte Glashersteller.

Fritz Heckert

Fritz Heckert und das schlesische Jugendstilglas

Friedrich Heckert, kurz Fritz Heckert genannt, gründete im Jahr 1866 eine Glasraffinerie im schlesischen Petersdorf. Diese Raffinerie beschränkte sich zunächst darauf Rohgläser durch Schliff, Dekorätzung oder Bemalung weiterzuverarbeiten.
Vor allem die Bemalung machte einen großen Teil der Arbeit bei Heckert aus. Speziell Gläser mit der Bezeichnung Cypern wurden zu einem Markenzeichen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass leicht irisierendes Glas mit farbiger Transparentemaille dekoriert wurde.
Otto Thamm, der Berliner Grafiker sowie der Maler Ludwig Sütterlin und Max Rade, Professor an der Dresdner Kunstgewerbeschule waren die drei Männer, die maßgeblich die Designs und Entwürfe für Heckert entwickelten.

Jugendstilglas von Fritz Heckert – alle Fotos: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Der Bayerische Wald – 700 gläserne Jahre

Er gilt als das waldreichste Mittelgebirge Deutschlands – der Bayerische Wald – ideale Bedingungen also für die Glasindustrie, die zum Schmelzen der Rohstoffe große Mengen an Holz benötigte.
Etwa seit dem 15. Jahrhundert wurde im Süden Deutschlands Glas hergestellt und mit der Stadt Zwiesel gibt es hier einen Ort, der wie wohl kaum ein zweiter im deutschsprachigen Raum mit dem Werkstoff Glas verbunden ist.

Jugendstilglas der Familie von Poschinger mal drei

Die Familie von Poschinger und das Jugendstilglas aus dem Bayerischen Wald

Über gleich drei Glashütten bzw. Glasfabriken spricht man, wenn man über die Familie von Poschinger redet, denn die Familie war groß und alle hatten sie mit Glas zu tun.
Ferdinand von Poschinger steht für die Glashüttenwerke Buchenau, Benedikt III. von Poschinger erscheint, wenn wir über die Kristallglasfabrik Oberzwieselau reden und last but not least Georg Benedikt II. von Poschinger begegnet uns bei der Kristallglasfabrik Frauenau.
Bezogen auf Jugendstilglas sind vor allem die beiden erstgenannten Manufakturen von Bedeutung.
Eine der ältesten Glashütten des Bayerischen Waldes, die Buchenau Hütte, wurde 1878 von Ferdinand von Poschinger übernommen. Seit 1898 wurden hier Jugendstilgläser im floralen Stil gefertigt, die aber auch bereits Anklänge des geometrischen Stils aufweisen.
Als Entwerfer:innen waren in dieser Glashütte vor allem Betty Hedrich, Julius Diez und Carl Schmoll von Eisenwerth tätig.

1898 war auch ein wichtiges Jahr für die Glashütte Oberzwieselau von Benedikt III. von Poschinger. Seit diesem Jahr warb er Künstler:innen an, um neue Formen- und Dekorentwürfe anfertigen zu lassen. Bekannte Namen wie Peter Behrens, Albin Müller und Richard Riemerschmid finden sich unter ihnen.
Die für Oberzwieselau besonders prägende Serie Byzantinische Gläser mit Goldstaffage und Glascabochons aber stammt von Georg Karl von Reichenbach (1872-1940). Auf ihn gehen auch die fast puristisch wirkenden, stark farbigen und modernen Entwürfe mit Fadenauflage zurück, die ebenfalls mit Glascabochons dekoriert sind und schon in die Zeit des Art Déco verweisen.

Jugendstilglas von Poschinger – alle Fotos: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Transparent und elegant – französisches Glas

Schon im Mittelalter machten sich französische Glashersteller einen ganz besonderen Namen, denn sie waren die ersten, die in Europa große transparente Glasfenster herstellen konnten. Zu verdanken war dies einer Technik, die vom Glasmacher Philipp de Cacqueray im 14. Jahrhundert entwickelt wurde. Sie basierte auf einer bereits seit dem 4. Jahrhundert im Vorderen Orient bekannten Technik: dem Mondglasverfahren. Mit der Ursprungstechnik ließen sich allerdings nur kleine Scheiben herstellen, die bis zu 15 cm im Durchmesser waren. Dank der Weiterentwicklung waren nun aber Scheiben bis zu 60 cm Durchmesser möglich. Eine gläserne Revolution, vor allem für den Bau gotischer Kathedralen.

Mehr über französisches Jugendstilglas erfahren Sie auf den Seiten Art Nouveau Paris und Art Nouveau Nancy.

Französisches Jugendstilglas – alle Fotos: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim,, CC-by SA 4.0