Der Impuls des Westens

Schon um 1900 war der Westen eine der bevölkerungsreichsten Regionen Deutschlands. Das Rheinland und vor allem auch das Ruhrgebiet waren Ballungsräume in denen nicht nur viele Menschen, sondern vor allem auch viel Industrie und zahllose kleinere Handwerksbetriebe beheimatet waren.
Vor allem metallverarbeitende Industrie war in der Region zuhause. Für den Jugendstil, der den Werkstoff schätzte, hatte der Westen Deutschlands demnach eine besondere Bedeutung.
Neben dem Metallgewerbe gab es speziell im Rheinland aber auch Glashersteller, die sich in der Jugendstilepoche einen Namen machten.
Auch zahlreiche Künstler:innen wirkten zumindest zeitweise im Westen Deutschlands, darunter Henry van de Velde, Peter Behrens und Walter Gropius.
Als Mäzen wurde Karl Ernst Osthaus zu einem der wichtigsten Förderer des Jugendstils.

Künstler:innen und Manufakturen

Rheinische Glashütten A.G. – Köln

Rheinische Glashütten A.G. – Köln

1864 war in Ehrenfeld bei Köln eine Glasfabrik gegründet worden, aus der am 1. Juli 1872 die Rheinische Glashütten Actien-Gesellschaft Ehrenfeld bei Köln wurde. Die ursprüngliche Produktpalette der Firma umfasste preiswertes Gebrauchsglas und Gläser im Stil des Historismus, wie sie in die wilhelminische Zeit passten. Darüber hinaus wurde Flachglas für die Bauindustrie hergestellt.
Um 1900 begann man jedoch in Ehrenfeld auch Gläser im modernen Stil herzustellen und namhafte Künstler wie Koloman Moser, Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich mit Entwürfen zu beauftragen.

2 Gläser der Rheinischen Glashütte Ehrenfeld
2 Gläser der Rheinischen Glashütte Ehrenfeld
Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Kayserzinn

Kayserzinn

Johann Peter Kayser gründete 1844 eine Zinngießerei in Kaiserswerth bei Düsseldorf. Unter der Leitung seines Sohnes Johann Peter, genannt Jean, verlegte die Firma ihren Sitz nach Krefeld und wuchs zu einem Großbetrieb mit bis zu 800 Beschäftigten.
Jeans Bruder Engelbert Kayser gründete ein kunstgewerbliches Magazin in Köln in dem er die Erzeugnisse international renommierter und bekannter Kunsthandwerker wie Gallé, Daum, Loetz oder auch Tiffany vertrieb sowie wichtige europäische Porzellan-Manufakturen. Dem Magazin wurde 1895 ein eigenes Atelier angegliedert. Die hier entstandenen Entwürfe wurden dann in Krefeld hergestellt und unter dem Markennamen Kayserzinn vertrieben.
Der wichtigste Entwerfer war zunächst der Bildhauer Hugo Leven (1874-1956). Beeinflusst waren die Entwürfe vor allem durch die japanische Motivwelt und die Ideen der École de Nancy.
Neue Impulse erhielt das Atelier durch den aus Düsseldorf stammenden Bildhauer und Kunsthandwerker Hans Stoltenberg-Lerche (1867-1920) und durch Hermann Fauser (1874-1947), der ebenfalls Bildhauer war. Sie waren es, die den neuen Stil von Kayserzinn und die erfolgreichsten Jahre der Firma prägten. Auf den Weltausstellungen in Paris 1900, Turin 1902 und St. Louis 1904 erhielten Produkte der Firma jeweils Goldmedaillen und sorgten für Furore. Mit diesem letzten Erfolg endete die Erfolgsgeschichte von Kayserzinn. Zwar wurde nach dem Weggang von Leven und Fauser noch einige Jahre weiterproduziert, aber an die einstige Blüte konnte man nicht mehr anknüpfen. Die Firma schloss im Jahr 1940 endgültig.

Fledermausleuchter von Kayserzinn
Fledermausleuchter von Kayserzinn Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Imperial – Bitter & Gibbers

Imperial – Bitter & Gob

Die Firma Bitter & Gobbers produzierte unter dem Markennamen B&G Imperial hochwertige und bemerkenswerte Zinnobjekte. Genau wie Kayserzinn war auch sie in Krefeld ansässig.
Gegründet worden war die Imperial im Jahr 1900 unter dem Namen “Crefelder Metallwaren-Fabrik Bitter & Gobbers GmbH”.
Die Firma arbeitete auch mit Künstlern zusammen, wie etwa mit dem französischen Bildhauer Claude Bonnefond.

Imperial Bonnefond Zinn Bildplatte Harfinistin
Imperial Bonnefond Zinn Bildplatte Harfinistin
Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

F. X. Dautzenberg

F. X. Dautzenberg

Noch eine dritte Zinngießerei war in Krefeld ansässig: die Firma von Franz Xaver Dautzenberg, der in vielen Bereichen aktiv war. 1849 begann er sich als Gold- und Silberschmied in Krefeld zu etablieren. Wann genau er anfing mit Zinn zu arbeiten ist nicht ganz geklärt.
Auch auf anderen Feldern war Dautzenberg aktiv und entwickelte beispielsweise einen neuen Kippgiessofen und gründete 1880 eine Paramentenstoffweberei (kirchliche Textilien), die noch heute unter dem Namen F. X. Dutzenberg, Krefeld existiert. Dieser etwas andere Name ist übrigens einem amtlichen Schreibfehler zu verdanken.

Dautzenberg - Karrafe grünes Glas mit Metallmontierung
Dautzenberg – Karrafe grünes Glas mit Metallmontierung
Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Orivit – F. H. Schmitt

Orivit

Die von Ferdinand Hubert Schmitz (1863-1939) 1894 in Ehrenfeld gegründete „Rheinische Bronce- und Metallwaaren-Fabrick Ferd. Hub. Schmitz“ fertigte fast von Beginn an auch kunstgewerbliche Objekte aus Zinn. Diese wurden zunächst unter dem Markennamen „Schmitz Edelzinn“ und ab 1898 unter dem Warenzeichen Orivit vertrieben. Im Jahr 1900 erfolgte die Umbenennung in „ORIVIT AG für kunstgewerbliche Metallwaren-Fabrikation“.
Enormen Auftrieb erhielt die Firma durch den Maler und Entwerfer Hermann Gradl d. Ä., der auch schon für Nymphenburg gearbeitet hatte.
Auf der Weltausstellung 1900 in Paris erhielt die Firma eine Goldmedaille und auch auf weiteren internationalen Ausstellungen gab es Preise und Ehrungen. Eine Fehlinvestition im Rahmen der Weltausstellung in St. Louis trieb Orivit dann aber in den finanziellen Ruin und das Werk wurde 1905 von der WMF übernommen. 1906 wurde der ehemalige Besitzer der „Kunstgewerblichen Metallwarenfabrik ORION“ aus Nürnberg, Georg Friedrich Schmitt, zum Geschäftsführer von Orivit ernannt. So kam es zur Vereinigung der beiden Produktpaletten.
Auch über die Zeit des Jugendstils hinaus produzierte Orivit weiter. 1927 wurde die Produktion eingestellt.

Orivit Teller mit rotem Glaseinsatz
Orivit Teller mit rotem Glaseinsatz Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Electra – Feith & Flöck

Electra

1895 wurde in Köln Müngersdorf die “Metallwaren- und galvanoplastische Anstalt” gegründet, die unter dem Markennamen Electra Produkte aus Zinn herstellte. Über die Firmengeschichte ist nur sehr wenig bekannt. Unbekannt geblieben sind auch die Entwerfer der hier produzierten Objekte.

Electra Leuchter
Electra Leuchter Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Gerhardi & Co.

Gerhardi & Co.

Mitglieder der Familie Gerhardi aus Lüdenscheid waren bereits im 18. Jahrhundert im Metallgewerbe tätig und seit Mitte des 19. Jahrhunderts existierte eine Produktion aus Britannia-Metall, einer speziellen Zinnlegierung mit Antimon, Kupfer, Nickel, Blei und Bismut. Durch diese Legierung erhielt das Zinn einen Silberglanz, ein Effekt, der um 1900 sehr beliebt war.
Unter der Ägide des Mitinhabers Ruderus Steinweg begann der Aufstieg der Firma und die Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Darmstädter Künstlerkolonie wie Peter Behrens, Paul Haustein, Albin Müller und Joseph Maria Olbrich. Auch französische Künstler wie Maurice Dufrène fertigten in der Zeit des Jugendstils Entwürfe für Gerhardi.
Die Firma existiert noch heute, fertigt inzwischen allerdings nur noch Teile für die Automobilindustrie.

Zinnteller "Mohn" von Gerhardi
Zinnteller “Mohn” von Gerhardi Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Maurice Dufrène

Maurice Dufrène

Der französische Künstler Maurice Dufrène wurde 1876 in Paris geboren und studierte an der École des Arts Decoratifs. Eigentlich wollte er Maler werden, wurde dann aber Direktor des von Julius Meier-Graefe gegründeten La Maison Moderne in Paris. Durch diese Tätigkeit und der Zusammenarbeit mit Künstlern wie Henry van de Velde und Victor Horta wandte er sich dann der dekorativen Kunst zu und arbeitete vor allem mit Materialien wie Keramik, Glas, Metall und Stoff. Außerdem entwarf er komplette Innenräume, die er mit eigenen Möbelkreationen ausstattete und war als Lehrer an der École Boulle in Paris und der École des Arts Appliqués tätig. Zudem leitete Dufrène den Maîtrise-Workshop der Galeries Lafayette.
Nur kurz beschäftigte sich Dufrène mit dem Jugendstil und wandte sich dann dem Art Déco zu, wobei er neoklassizistische Formen nutzte. Maurice Dufrène verstarb im Jahr 1955.

Krümelschaufel von Dufrene
Krümelschaufel von Dufrene Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Eduard Hueck

Eduard Hueck

Bereits 1814 hatte die Wilhelm Hueck in Lüdenscheid einen Eisenhammer und 1818 eine Eisen-, Stahl- und Messingwarenhandlung gegründet. Um 1900 bestand sie bereits aus einer Drahtzieherei, einem Kupfer- und Messingwalzwerk und einer Fabrik zur Herstellung von Aluminium- und Britannia-Waren sowie Knöpfen mit mehr als 170 Mitarbeiter:innen.
Um 1900 fertigte man bei Hueck vor allem Produkte aus Kupfer und Messing, zwei Metalle, die in der Zeit ausgesprochen beliebt waren. Für die Entwürfe zog man namhafte Künstler heran, vor allem auch jene der Darmstädter Künstlerkolonie, wie etwa Albin Müller, Joseph Maria Olbrich oder Peter Behrens. In ca. 10 Jahren entstanden so etwa 100 verschiedene Künstlermodelle.
Ihren Zenit erreichte die Firma Hueck in wirtschaftlicher Hinsicht mit dem Eintritt von Eduard Hueck III. (1886-1966) im Jahr 1909. Er machte aus dem kleinen mittelständischen Unternehmen eine Unternehmensgruppe der metallverarbeitenden Industrie mit über 12.000 Mitarbeiter:innen.

Eduard Hueck - Bowle
Eduard Hueck – Bowle Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Gabriel Hermeling

Gabriel Hermeling

Gabriel Hermeling (1833-1904) hatte die renommierte Hofgoldschmiede-Werkstatt von seinem Vater Werner übernommen. Im Jahr 1899 ging sie an seinen Schwiegersohn Joseph Kleefisch (1861-1931) über. Unter dessen Leitung gab es die Zusammenarbeit mit bekannten Künstlern, auch der Darmstädter Künstlerkolonie, wie bspw. Ernst Riegel.
Auf Weltausstellungen gewann die Werkstatt um 1900 mehrere Preise.

Hermeling Mokkakanne
Hermeling Mokkakanne Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Conrad Anton Beumers

Conrad Anton Beumers

1859 gründete Conrad Anton Beumers (1837-1921) eine Gold- und Silberschmiedewerkstatt in Düsseldorf, die zu einer der bedeutendsten ihrer Art im Rheinland wurde. Vor allem sakrale Objekte wurden hier gefertigt bis um 1900 sein Sohn Paul Beumers (1865-1950) in die Werkstatt eintrat und neue Gestaltungstendenzen vor allem für Schmuck aufgriff. Nicht zuletzt durch den Gewinn einer Goldmedaille auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 stieg die Firma zum königlich-kaiserlichen Hoflieferanten auf.

Schmuckanhänger Firma Beumers Düsseldorf
Schmuckanhänger Firma Beumers Düsseldorf
Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Anton & Wilhelm Bahner

Anton & Wilhelm Bahner VSF

Der Silberschmied und Fabrikant Anton Bahner hatte sechs Söhne von denen mindestens fünf in den Jahren um 1900 ebenfalls in der Silberwarenherstellung tätig waren.
Anton jr. und sein Bruder Wilhelm hatten 1887 gemeinsam eine eigene Firma gegründet, ebenso wie der Bruder Louis. Die Brüder Franz und Peter übernahmen den väterlichen Betrieb. Am 13. Juli 1899 fusionierten diese Einzelfirmen zu den Vereinigten Silberwarenfabriken AG Düsseldorf, kurz VSF.
Hergestellt wurden vor allem Korpuswaren aus Silber, die sowohl mit bekannten konventionellen Mustern versehen wurden, als auch mit Jugendstil-Formen.

Franz Bahner

Franz Bahner

Ebenfalls zur vielköpfigen Düsseldorfer Bahner-Familie gehörte Franz Bahner. Die von ihm 1895 gegründete Firma blieb eigenständig und spezialisierte sich auf die Herstellung von Bestecken. Er arbeitete auch mit renommierten Künstlern wie Henry van de Velde oder Peter Behrens zusammen, die für ihn teils umfangreiche Besteckserien fertigten. Auch Gebhard Duve (1899-1977) gehörte in späteren Jahren zu den erfolgreichen Besteck-Entwerfern von Franz Bahner.

Franz Bahner Spragelheber, Entwurf Peter Behrens
Franz Bahner Spargelheber, Entwurf Peter Behrens Foto: Sammlung „1900 modern times“ Manfred Geisler – Jugendstilforum Bad Nauheim, CC-by SA 4.0

Ludwig Wessel – Bonn

Ludwig Wessel

1823 übernahm Ludwig Wessel die “Poppelsdorfer Faience Fabrique”, die 1755 auf Betreiben des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Clemens August (1700-1761, Eb. 1723-1761) gegründet worden war.
In der Zeit um 1900 nahm die Firma an zahlreichen Weltausstellungen teil und hatte auch Verkaufsstellen in Übersee, was ihre damalige Bedeutung im Bereich Keramik zeigt.
1896 wurde aus dieser Firma die “Wessels Wandplattenfabrik AG, Bonn” ausgegliedert, die 1914 selbständig wurde und zu den wichtigsten Herstellern von Jugendstilfliesen gehörte.
Wie viele andere Firmen geriet auch “Porzellan- und Steingutfabrik Ludwig Wessel” in den 1920er Jahren angesichts der Weltwirtschaftskrise in eine Notlage und wurde vom Berliner Sanitärkeramik-Hersteller Friedrich Butzke aufgekauft.
Nach dem 2. Weltkrieg hatte die “Wessels Keramische Werke AG” erneut mit Absatzproblemen zu kämpfen und wurde 1969 geschlossen.

Themen und Stichworte

Werkbundausstellung in Köln – 1914

Der 1907 als „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“ und auf Anregung von Hermann Muthesius, Friedrich Naumann und Henry van de Velde in München gegründete Deutsche Werkbund mit Sitz in Darmstadt veranstaltete im Jahr 1914 in Köln seine erste Ausstellung.
Bereits 1912 hatte man mit der Planung der Ausstellung begonnen. Möglich gemacht wurde sie durch einen Zuschuss von 5 Millionen Goldmark durch die Stadt Köln. Es war übrigens Konrad Adenauer, selbst Werkbundmitglied, der sich für Köln als Standort eingesetzt hatte. Auch Karl Ernst Osthaus engagiert sich für die Ausstellung.
Eröffnet wurde sie am 16. Mai 1914 durch Henry van de Velde.
Auf dem 200.000 Quadratmeter großen Areal wurden 50 Gebäude errichtet und allein die Haupthalle umfasste 242 Ausstellungsräume, die jeweils knapp 40 m2 groß waren.
In den einzelnen Gebäuden wurden jeweils eigene Themen aufgegriffen, so gab es ein Haus für Farben, eines für die Frau mit Garten, ein Bier- und ein Teehaus, natürlich auch ein Café und sogar ein Theater.
Der Ausbruch des 1. Weltkriegs führte zur vorzeitigen Beendigung der Ausstellung am 6. August 1914.
An der Ausstellung beteiligt waren neben Henry van de Velde auch Georg Arends, Peter Behrens, Carl Otto Czeschka, August Endell, Hermine Goossens, Walter Gropius, Josef Hoffmann, Hermann Muthesius, Bruno Paul, Richard Riemerschmid und Gertraud von Schnellenbühel.

Plakat Ausstellung Deutscher Werkbund Köln 1914
Plakat Ausstellung Deutscher Werkbund Köln 1914
Krefeld, das Kaiser-Wilhelm-Museum und sein Direktor Friedrich Deneken

Im Jahr 1899 wurde das noch heute existierende Gebäude des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld eingeweiht.
Angeregt worden war der Bau bereits 1872 vom Krefelder Architekten Hugo Koch, der den Bau eines Museums für Kaiser Wilhelm I. als sinnvoller erachtete als den Bau eines Denkmals. Wirklich ernsthaft verfolgt aber wurde der Gedanke erst nach dem Tod des Kaisers im Jahr 1888. Zahlreiche Spender:innen, darunter vor allem reiche Krefelder Bürger- und Unternehmer:innen machten die Finanzierung möglich.
Nachdem man sich 1890 auf einen Standort geeinigt hatte, wurde das Gebäude in den Jahren 1894 bis 1897 nach Plänen von Hugo Koch errichtet.
Als erster Direktor des neuen Museums fungierte von 1897 bis 1922 der Kunsthistoriker Friedrich Deneken (1857-1927). Er hatte zuvor am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg gearbeitet und baute im neuen Krefelder Museum eine Sammlung moderner Kunst mit Werken aus Jugendstil, Art Nouveau und Impressionismus auf.
Deneken war von seinem Denken her den Reformbewegungen seiner Zeit verbunden und engagierte sich vor allem auch für die Zusammenarbeit der Krefelder Textilindustrie und des Handwerks mit Künstler:innen. So gelang es ihm, dass Henry van de Velde eine Kollektion Reformkleidung für Krefelder Hersteller entwarf und anschließend ausstellte. Auch andere Künstler wurden für Deneken in Krefeld tätig, so z.B. Joseph Maria Olbrich, Otto Eckmann und Peter Behrens.

Friedrich Deneken 1904
Friedrich Deneken 1904
Düsseldorfer Kunstakademie

Bereits 1762 war in Düsseldorf eine erste Zeichenschule gegründet worden, aus der sich Schritt für Schritt die Düsseldorfer Kunstakademie entwickelte, deren neues Gebäude 1879 eröffnet wurde. In der Zeit des Deutschen Kaiserreichs hatte sie eine ihrer Blütephasen und gehörte zu den wichtigsten Kunstakademien im deutschsprachigen Raum.
Zu den bekanntesten Student:innen und Professor:innen der Düsseldorfer Kunstakademie bis heute gehören Peter Behrens, Joseph Beuys, Max Clarenbach, Otto Dix, Bernhard Hoetger, Jörg Immendorff, Paul Klee, Wilhelm Lehmbruck, August Macke, Otto Pankok, Gerhard Richter und Günther Uecker.

Hagen, Karl Ernst Osthaus und die Folkwang-Sammlung

Neben Harry Graf Kessler zählte Karl Ernst Osthaus am Beginn des 20. Jahrhunderts zu den wichtigsten Kunstmäzenen und auch Kunstsammlern im deutschsprachigen Raum.
Geboren worden war Osthaus 1874 in Hagen. Ähnlich wie Kessler war auch Osthaus Sohn eines Bankiers. Seine Mutter kam aus einer Industriellenfamilie. Karl Ernsts künstlerische Neigungen stießen auf wenig Verständnis, der Vater zwang ihn in eine kaufmännische Ausbildung. Das Ergebnis war ein Nervenzusammenbruch des Sohns, woraufhin er seine Lehre abbrechen durfte und ein Studium der Philosophie und Kunstgeschichte in Kiel, Berlin, Straßburg, Wien, Bonn und München begann.
Schnell begann Osthaus sich für die modernen und reformorientierten Kunstströmungen zu begeistern, eher ungewöhnlich für jemanden, der politisch dem rechten und nationalistischen Spektrum verhaftet war. Beeinflusst haben ihn in dieser Zeit vor allem Friedrich Nietzsche, Julius Meier-Graefe und Harry Graf Kessler.
Das 1896 geerbte Vermögen der Großeltern mütterlicherseits bot Osthaus die Möglichkeit sein Studium abzubrechen und seine Ideen zu verwirklichen. Dazu gehörte ein Museum für die neuen Kunstrichtungen, das 1898 bis 1902 gebaut wurde. Die Innenausstattung des heutigen Osthaus Museums in Hagen, das damals Folkwang Museum hieß (heute in Essen) entwarf Henry van de Velde, der Osthaus auch beim Ankauf der Kunstwerke beriet.
Neben dem Museum gründete Karl Ernst Osthaus 1901 auch die Folkwang-Malschule und unternahm den Versuch zur Gründung einer Künstlerkolonie mit Werkstätten und Lehrinstituten. 1907 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Werkbunds. Außerdem regte er 1909 die Gründung des Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe an.
1921 starb Karl Ernst Osthaus in Meran an den Folgen einer Kelhkpftuberkulose, die er sich im 1. Weltkrieg zugezogen hatte.

Karl Ernst Osthaus. Gemälde von Ida Gerhardi (1903). Das Gemälde ist ausgestellt im Osthaus Museum Hagen
Karl Ernst Osthaus. Gemälde von Ida Gerhardi (1903). Das Gemälde ist ausgestellt im Osthaus Museum Hagen
Die Villa Hohenhof

Ebenfalls aus der Zusammenarbeit von Karl Ernst Osthaus und Henry van de Velde hervorgegangen ist die Villa Hohenhof. Osthaus war der Auftraggeber der als Wohnhaus für ihn und seine Frau in der Gartenstadt Hohenhagen Villa. Gebaut wurde sie zwischen 1906 und 1908 und entworfen von Henry van de Velde. Heute gehört die Villa Hohenhof zu den Standorten des Karl-Ernst-Osthaus-Museums Hagen.

Das Warenhaus Tietz in Düsseldorf

Die Zeit von Jugendstil und Belle Époque war auch die Zeit der ersten großen Warenhäuser, die damals zu Recht als Konsumtempel bezeichnet wurden, denn an Tempel erinnerten diese prachtvollen Gebäude durchaus mit ihren hohen Hallen und den vielen zierenden Ornamenten und kunstvollen Dekorationen.
Einer dieser Konsumtepmel im Westen des Deutschen Reiches war das Warenhaus Tietz in Düsseldorf. Es entstand zwischen 1907 und 1909 nach Plänen von Joseph Maria Olbrich an der heutigen Heinrich-Heine-Allee und ist im Stil der Reformarchitektur errichtet.
1906 hatte die Leonhard Tietz A.G. einen Wettbewerb für ein neues Warenhaus ausgeschrieben in dem bis in die 1920er Jahre hinein auch regelmäßig große Kunstausstellungen stattfanden.

Warenhaus Tietz Düsseldorf
Warenhaus Tietz Düsseldorf
Das Mannesmann Verwaltungsgebäude in Düsseldorf

Von Peter Behrens stammt das ebenfalls in Düsseldorf errichtete Mannesmann-Haus. Es wurde zwischen 1911 und 1912 für die Hauptverwaltung der Mannesmann-Werke AG errichtet. Später diente es als Staatskanzlei und Sitz der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Seit 2020 beherbergt der Bau das Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalens.
1910 hatte Peter Behrens den Architektenwettbewerb gewonnen, den die Mannesmann-Werke ausgeschrieben hatten. Auch dieser Bau ist, genau wie das Warenhaus Tietz, im Stil der Reformarchitektur gebaut und auch genau wie das Warenhaus von einem Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie.