Susanne Homann
Inhaltsverzeichnis
Ein moderner Lebensweg um 1900
Susanne Homann wurde 1866 geboren und vieles, das uns heute ganz normal erscheint war zu diesem Zeitpunkt alles andere als normal und alltäglich …
… eine Frau etwa, die arbeitet, sich einen Beruf aussucht, ihr eigenes Geld verdient, zur Schule geht, studiert und wählt …
… bis in die 1970er Jahre hinein war das auch in Deutschland gar nicht normal und alltäglich.
Frauenleben um 1900
Die meisten Frauen heirateten.
Als Ehefrauen durften sie in Westdeutschland bis 1977 ihren Beruf nicht frei wählen.
Sie brauchten die Zustimmung des Ehemanns.
Bis 1958 hatten Ehemänner das Recht, den Anstellungsvertrag ihrer Frau ohne deren Zustimmung fristlos zu kündigen.
Ein eigenes Bankkonto durften Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes erst 1962 eröffnen.
Das Wahlrecht erhielten Frauen immerhin schon mit Beginn der Weimarer Republik im Jahr 1919.
Frauen, die nicht heirateten, hatten nicht viele berufliche Möglichkeiten.
Sie konnten in der Landwirtschaft arbeiten, in Fabriken oder als Dienstmädchen.
Frauen, die nach besser gestellten Berufen strebten hatten die Möglichkeit als Erzieherin, Lehrerin, Krankenpflegerin oder Hebamme zu arbeiten.
Fast all diese Berufe verlangten ein zölibatäres Leben.
Wollten die Frauen später doch heiraten, dann mussten sie ihren Beruf aufgeben.
Zur Schule gehen und studieren war das Erste, was man Frauen im 19. Jahrhundert erlaubt hatte.
Aber die Schulbildung für Mädchen war auf ihre spätere Rolle als Ehefrau ausgerichtet.
Die sogenannte „höhere Bildung“ blieb ihnen meist verwehrt.
Universitäten erlaubten Frauen zunächst nur den Zugang als Gasthörerinnen.
Baden war das erste deutsche Land, das Frauen ein Universitätsstudium ermöglichte.
Das war am 28. Februar 1900. Bayern zog 1903 nach und Preußen 1908.
Bei den Studierenden betrug der Frauenanteil noch 1930 nur 16 Prozent, heute sind es ca. 50 Prozent.
Hintergrundbild: Landfrauenschule Maidhof im Reifensteiner Verband (1919-1943), vormals (1896-1919) Realgymnasium (erbaut 1894–1896) der Herrnhuter Brüdergemeine in Gnadenfrei (heute Piława Górna)
Foto: Reifensteiner Verband CC by SA 3.0, via Wikimedia Commons
Auch im künstlerischen Bereich sah die Lage nicht besser aus.
Die Akademie der Bildenden Künste in München verweigerte Frauen noch bis 1920 das Studium.
So blieb ihnen nur die Möglichkeit, an teuren Privatschulen zu studieren, was sich aber nur wenige leisten konnten.
Spätestens seit den 1860er Jahren gab es immer mehr Frauen, die gegen diese Restriktionen aufbegehrten.
Sie organisierten sich in Vereinen, gingen auf die Straßen und kämpften um gleiche Rechte.
Das war die Welt, in die Susanne Homann am 3. Juni 1866 in Kiel hineingeboren wurde.
In dieser Welt ging sie manchen Umweg.
Über die ersten 33 Jahre im Leben der Susanne Homann haben wir nahezu keine Informationen.
Wir wissen nur, dass sie den Beruf der Hebamme ergriff und seit 1899 in Darmstadt lebte.
Warum sie hierher zog, seit wann sie als Hebamme arbeitete, all das ist nicht bekannt.
Susanne Homann – ein „moderner“ Lebensweg
In Darmstadt führte Susanne Homann in den ersten Jahren ein unstetes Leben, das von nahezu jährlichen Umzügen geprägt war.
Sie scheint auf der Suche gewesen zu sein.
Als sie 1904 erneut umzog, tauchte im Adressbuch neben der Berufsbezeichnung Hebamme plötzlich auch die der Photographin auf.
1905 gab es dann den letzten Adresswechsel für die nächsten neun Jahre.
Offenbar hatte Susanne Homann zu diesem Zeitpunkt gefunden, was sie gesucht hatte.
Fotografin am Hessischen Hof
In ihrem neuen Beruf als Fotografin gelang Susanne Homann im Jahr 1908 der Durchbruch.
Sie erhielt einen Auftrag des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein.
In einem Darmstädter Säuglingsheim sollte sie den Besuch der Großherzogin Eleonore fotografisch begleiten.
Großherzogin Eleonore bei einem Besuch im Darmstädter Säuglingsheim, Foto: Susanne Homann, HStAD Bestand R 4, Nr. 32095
Offenbar gefielen ihre Aufnahmen. Nur wenige Monate später folgte ein weiterer Auftrag.
Diesmal sollte sie Fotos der ganzen großherzoglichen Familie machen.
Damit etablierte sich Susanne Homann in ihrem neuen Beruf, und mit dem Jahr 1913 fiel im Darmstädter Adressbuch die Berufsbezeichnung Hebamme weg.
Dafür kam der Eintrag Werkstätte für moderne Lichtbildkunst hinzu.
Großherzog Ernst Ludwig mit seiner Familie, Foto: Susanne Homann HStAD Bestand D 27 A Nr. 100/30
Bereits 1910 war die Werkstattbezeichnung auf ersten Postkarten zu finden.
Zu dieser Zeit erstellte Susanne Homann zahlreiche Fotografien des hessischen Herrscherhauses und von dessen umfangreicher Verwandtschaft.
Hierzu gehören Aufnahmen preußischer Prinzessinnen und der russischen Zarenfamilie.
Die Architekturfotografin
Allmählich wurde Susanne Homann immer erfolgreicher und wieder zog sie mehrfach um.
Mit ihrem Fotoatelier spezialisierte sie sich vor allem auf Postkarten.
Es sind meistens Architekturaufnahmen. Oft finden die sich auch in Büchern.
Ihre Postkarten vertrieb Susanne Homann selbst. Die Bücher wurden seit etwa 1911 vom Leipziger Kommissionsverlag F. Volckmar übernommen.
Als Architekturfotografin wurde Susanne Homann in ganz Deutschland bekannt.
Ihre Postkartenserien zeigen Städte aus dem ganzen Land, wie z.B. Dresden, Regensburg, Elberfeld, Barmen, Trier, Köln, Marburg, Potsdam, München, Augsburg, Maulbronn u.v.a.
In Fachkreisen wurden ihre Arbeiten hoch geschätzt.
Die Deutsche Frauenschule auf Schloss Braunshardt
Eine besonders interessante Fotostrecke erstellte Susanne Homann 1912 in der „Deutschen Frauenschule“ auf Schloss Braunshardt.
Die in den 1850er und 1860er Jahren im deutschsprachigen Raum entstehende Frauenbewegung kämpfte vor allem für gleiche Bildungschancen.
Zu ihren Vorkämpferinnen gehörte auch Eleonore Lemp (1871-1950).
Nach mehreren Anläufen gründete Eleonore Lemp 1912 auf dem hessischen Schloss Braunshardt eine Frauenschule.
Auf dem Lehrplan der Mädchen standen neben den regulären Schulfächern auch Hauswirtschaft und körperliche Ertüchtigung.
Tanzen, Wandern und Radfahren gehörten zum Tagesablauf.
Susanne Homann und der erste Bildband über Bad Nauheim
Der Bildband „Bad Nauheim“ beginnt mit einem fünf Seiten langen Text, der die Schönheiten des Weltbades detailliert beschreibt.
Die erste uns bekannte Auflage entstand wohl im Jahr 1911. Damals war der größte Teil der neuen Jugendstilanlagen bereits fertiggestellt.
Eine zweite Auflage folgte offenbar im Jahr 1913.
Sie ist nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch und Französisch erschienen.
Um die Atmosphäre wiederzugeben, in der die Bilder entstanden, wird im Folgenden der Text aus dem Homann’schen Buch zitiert:
„Wenn man etwa seit 1905 nicht mehr in Bad-Nauheim war, so findet man alles vollständig verändert. Vom Bahnhof kommend, sieht man jetzt zwischen zwei Torgebäuden, in denen die Verwaltung des Bades ihren Sitz hat, hinunter in das Badegebiet, wo inmitten eines von Wandelhallen umschlossenen Hofs die berühmten warmen Sprudel schäumend hervorspringen, während dahinter der alte Park mit seinen ehrwürdigen Baumriesen, überragt von Johannisberg, das Bild abschließt. Natur und Kunst wetteifern hier in gegenseitiger Steigerung.“
„Aus den Wandelhallen betritt man die einzelnen Badehäuser, die alle so angelegt sind, daß man zunächst in einen Warteraum gelangt, an den sich geradeaus ein Innenhof anschließt. Dieser Warteraum und ganz besonders die Höfe bilden die Höhepunkte der ganzen Anlage. Gediegene Ausstattung der Säle mit Marmorbekleidung, Mosaik, keramischem Schmuck oder Malerei in stetem Wechsel, verbunden mit liebevollen architektonischen und gärtnerischen Behandlung der Höfe, wirkt äußerst wohltuend und anheimelnd“.
„Geht man aus der Badeanlage durch den Park nach Süden, so gelangt man nach den reizend angelegten Tennisplätzen, mit denen ein staatliches Kaffeehaus und Kolonnaden verbunden sind. Von der Terrasse des Cafés überblickt man einen großen Teil der wunderbaren Parkallee […]“.
„Weiter nach Süden, hinter der Dankeskirche, liegt die neue Trinkkuranlage, eine hufeisenförmige, anmutige Wandelhalle, in deren freier Seite ein Musiktempel, davor ein großes Wasserbecken angelegt ist. Auf dem Platz zwischen den Wandelhallen spielt sich morgens beim Frühkonzert ein lebhafter Verkehr ab. […]
Man spürt überall den Einfluß der in Hessen ganz besonders entwickelten modernen Kunstbestrebungen; der Großherzog selbst hat sich für diese Anlage lebhaft interessiert und wertvolle Anregungen gegeben.“
„Den Mittelpunkt des Kurlebens bildet das Kurhaus; aber es ist dies hier in Nauheim wegen seiner schönen Lage, der guten Kurmusik und nicht zuletzt wegen der vorzüglichen Bewirtung noch mehr als anderwärts der Fall. Daß bei einer größeren Veranstaltung 5000-6000 Menschen und noch mehr dort zusammenströmen, ist gar keine Seltenheit mehr.“
„Einer der schönsten Parkteile des mit großer Sorgfalt gepflegten, von Heinrich Siesmayer 1857/58 angelegten Parks liegt nördlich vom Kurhaus am Wege nach dem Teich, etwas außerhalb des stärksten Verkehrs, so recht geschaffen zum ruhigen Verweilen.“
„Nun muß noch eine letzte Reihe von Neubauten Erwähnung finden, die für das Bad zwar ebenso wichtig sind, wie die bereits genannten, von denen aber der Fremde weniger merkt; es ist das Elektrizitäts- und Fernheizwerk, die Eisfabrik, die Dampfwäscherei, das Gruppenwasserwerk und die neue Saline, alles ebenfalls staatliche Betriebe.“
„Mit der außergewöhnlich schnellen Entwicklung des Bades hat die der Stadt Bad-Nauheim gleichen Schritt gehalten. Eine weitsichtige Kommunalverwaltung, unterstützt von einer ruhigen Bevölkerung und den Verkehrsvereinen, wetteifert durch die Überführung der Gasbeleuchtung aus privatem in städtischen Besitz, durch Anschluß der Stadt an das staatliche Elektrizitätswerk und die staatliche Gruppenwasserversorgung aus dem Vogelsberg, durch Schaffung und Erhaltung schöner sauberer weitangelegter Straßenzüge, durch Fürsorge für die Kranken (städtisches Krankenhaus und Konitzkystift), durch Pflege des geistigen Lebens auf allen Gebieten wie Schule, Veranstaltung von Unterhaltungen, mit den Aufwendungen des Staates, und hat es zuweg gebracht, daß aus dem kleinen unbedeutenden Landstädtchen der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Weltkurort geworden ist, der dem verwöhntesten Geschmack Rechnung trägt.“
Susanne Homann in der Presse
Wie hoch geschätzt Susanne Homann als Fotografin war sieht man an zahlreichen Zeitungsberichten über sie und ihre „Werkstätte für moderne Lichtbildkunst“.
Vor allem in der „Deutschen Bauzeitung“ erschienen regelmäßig Beiträge über ihre Arbeiten.
Pressebericht
Auch selbst veröffentlichte Susanne Homann ihre Arbeiten in verschiedenen Zeitschriften.
In der 1858 bis 1923 erschienenen auflagenstarken Wochenzeitschrift „Über Land und Meer“, die vor allem belletristische und unterhaltende Inhalte hatte, veröffentlichte sie in erster Linie Fotos bekannter Persönlichkeiten und vor allem Adeliger.
Auch Katalogarbeiten fertigte Susanne Homann an.
So war sie eine der maßgeblichen Fotografinnen für den Katalog zur Hessischen Landesausstellung im Jahr 1914.
Die Katalogmacher
Susanne Homann Nachleben
Als Susanne Homann am 6. März 1923 im Alter von 56 Jahren in Darmstadt starb, war sie eine anerkannte und vor allem bekannte Fotografin und Verlegerin, deren Lichtbilder in Form von Postkarten und Büchern in ganz Deutschland verkauft wurden.
Ein Bild von ihr selbst existiert nicht.
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