Stilwende 2.0 – Keramik: Form und Farbe

Die Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg war geprägt von politischen und sozialen Umbrüchen. Mit der Ausrufung der Weimarer Republik im November 1919 verschwand die Monarchie und mit ihr die herausragende Stellung des Adels. Dem Bürgertum und reichen Fabrikanten kam eine immer bedeutendere Stellung in der sich entwickelnden Demokratie zu. Letztere endete am 30. Januar 1933 mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, die 1939 in den Zweiten Weltkrieg mündete und durch Verfolgung und Holocaust viele in Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft führende Persönlichkeiten in die Emigration oder gar den Tod trieb.
In dieser Zeitspanne von rund 13 bzw. 20 Jahren vollzog sich auch ein starker Wandel in der Produktgestaltung. Sehr augenfällig lässt sich dies bei keramischen Erzeugnissen feststellen und zwar sowohl im Bereich der Gebrauchs- als auch der Zierkeramik.

Bereits zu Beginn der 1920er Jahre wurde vielerorts wie z.B. in der Bauhaus Keramik ein Formenkanon entwickelt, der auf geometrischen Grundformen basierte und eine gradlinige, klare Gestaltung zum Ausdruck brachte. Dieser neue Formenkanon wurde zum richtungweisenden Maßstab für die 1920er und 1930er Jahre.
Bei der Ausgestaltung der Oberfläche gab es zwei gegensätzliche Richtungen:

Bei undekorierter Keramik, wie sie von den sachlich-puristischen orientierten Entwerfern und Entwerferinnen bevorzugt wurde, ergab die mehr oder weniger farbige Glasur das Gefäßdekor. Farbige Glasuren traten an die Stelle der dekorativen Verzierung und erzeugten den formal-ästhetischen Reiz. So waren Glasuren vor allem in der künstlerischen Keramik eines der zentralen Themen. Eine Entwicklung, die insbesondere durch französische Keramiker wie Dalypayrat, Bigot, Carriès, Delaherche, Decoeur u.a. bereits um 1900 angestoßen wurde.

Jakob Julius Scharvogel war einer jener deutschen Keramiker, die sich bereits um 1900 einen Ruf als hervorragende Spezialisten für Glasuren erworben hatten. Ihm folgten ab den 1920er Jahren u.a. Paul Dresler, Richard Bampi, Josef Hehl, Jan Bontjes van Beek, Otto Douglas-Hill oder auch große Manufakturen wie die Karlsruher Majolika mit Gerda Conitz und Martha Katzer.
Bedeutende Porzellanmanufakturen wie die Berliner KPM oder die am südlichen Stadtrand von Paris gelegene in Sèvres hatten bereits 1895 Porzellane mit von Asien inspirierten ochsenblutroten Glasuren erstmalig vorgestellt.

Übertopf Max Laeuger
Übertopf mit Margeriten von Max Laeuger – Foto: M. Geisler, CC-by SA 4.0

Auch orientalische Farbglasuren rückten nach 1900 ins Blickfeld europäischer Künstler:innen und Manufakturen.
Den Gegenpol bildete die dekorative Oberflächengestaltung, die gerade in der Art Déco-Epoche markante und oft farbintensive Erscheinungen hervorbrachte wie sie die hohe Vase aus der Manufaktur in Sevrès zeigt. Sie wird von einem expressiv gemalten und stilisierten Blatt- und Blütendekor geprägt.
Wie schon in der Jugendstilepoche zuvor, war bis weit in die 1920er Jahre das Bemalen von Hand die hauptsächlich angewandte Dekorierungsmethode. Dabei ist in dieser Epoche fast immer eine betont malerische Komponente anzutreffen, sei es in expressiver Manier wie bei den Keramiken von Max Laeuger oder mit einer konstruktivistischen Komponente wie bei Kasimir Malewitsch (1879-1935).
Daneben hatte man bereits um 1900 auch mit dem Einsatz von Schablonentechniken zur

Dekorauftragung begonnen. Dies Verfahren sollte gegen Ende der 1920er Jahre eines der wesentlichen Elemente der Spritzdekorierung werden. Die sogenannten Spritzdekore bilden eine zeitlich begrenzte Erscheinung, die etwa ein Jahrzehnt in Mode war. 

Wenn man, im Rückblick verklärt, von den Goldenen Zwanziger Jahre spricht, dann fallen diese zeitlich in etwa mit dem Aufkommen der Spritzdekore ab 1925 zusammen.
Die zwar nicht „golden“ aber ausgesprochen farbig waren.