Stilwende 2.0 – Angewandte Graphik

Zeitungen, Illustrierte und Magazine waren die wichtigsten Kommunikationsmittel zu Beginn der 1920er Jahre. So gab es alleine in der Hauptstadt Berlin über 200 verschiedene Publikationen. Andere Massenkommunikationsmittel, vor allem das Radio, standen am Anfang und fanden erst ab Mitte der 1920er Jahre eine größere Verbreitung. Die Bilder hatten durch die Erfindung des Films zwar schon laufen gelernt, sprechen konnten sie aber erst ab dem Jahr 1927. Im Fernsehen machten die Bilder in den 1930er Jahren die ersten Schritte. Eine erhöhte Verbreitung durch diese Medien setzte aber erst ab Mitte der 1950er Jahre ein.
Vor diesem Hintergrund nahmen die Printmedien eine herausragende Stellung ein. Sie waren erste Wahl in der Vermittlung von Informationen. Trends jedweder Art, vor allem auch in der Mode, sowie die Werbung vor allem für neu entwickelte Produkte, erfolgten über sie.

Das Cover einer jeglichen Publikation ist gleichzeitig eine visuelle Verpackung, ein Aushängeschild mit einer Botschaft über den Inhalt. Journaltitel wie Die Dame, die neue linie oder Elegante Welt beziehen sich auf das umfassende Thema Mode und damit vor allem auf die weibliche Leserschaft als Zielgruppe.

Im Genre der Modegraphiken und Illustrationen war der Bedarf an Zeichner:innen sehr groß, denn die Photographie spielte zu Anfang der 1920er Jahre, besonders im Bereich der Modepräsentationen, noch keine bedeutende Rolle, und so erlebte dieser Zweig, wie ebenso die Plakatkunst, in dieser Dekade eine letzte große Blütezeit.

Henry van de Velde über den neuen Stil

Erst in den Jahren nach 1930 kam die Photographie vermehrt zum Einsatz, häufig als Collage in Kombination mit graphischen Elementen wie bei den Titelblättern der Zeitschrift die neue linie der Ausgaben Juni und Dez. 1930.
Sowohl Herbert Bayer als auch László Maholy-Nagy haben die Collage-Technik regelmäßig bei ihren Titelgestaltungen verwendet. 

Der Einzug der Moderne äußerte sich auch durch neue Layout-Konzeptionen, und es entstand vielfach die Erkenntnis einer notwendigen visuellen Seitengestaltung. Ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang war die Entwicklung neuer Schrifttypen. Es entstanden moderne, serifenlose Typen wie Futura, Arial u.a., die auch als Grotesk-Schriften bezeichnet wurden.

Modegraphik: George Barbier "Les Colchiques" - Entwurf Jeanne Paquin
Modegraphik: George Barbier “Les Colchiques” – Entwurf Jeanne Paquin

Plakate & Inserate

Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert entstanden die ersten vervielfältigten plakatähnlichen Anschläge. Als Plakate in bildlich-illustrierter Form tauchten sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung des Farbdrucks auf. Von künstlerisch gestalteten Plakaten kann man ab den 1890er Jahren sprechen, als sich vorrangig Buchillustratoren dieser Aufgabe annahmen. Entsprechend weisen diese Plakate eine betont zeichnerisch-malerische Komponente auf.
Ein Meilenstein ist das 1897 von Henry van de Velde gestaltete Werbeplakat Tropon, eines der berühmtesten Jugendstilplakate. Es steht exemplarisch für den Begriff des Künstlerplakates und gilt als eines der ersten auf dem Weg hin zum Sachplakat.
Das Produkt und vor allem sein Name rückten nun in den Vordergrund. Hier nahmen die Typographie und ihre Gestaltung einen zunehmend höheren Stellenwert ein.
Zu den größten Plakatgestaltern des 20. Jahrhunderts gehören Lucian Bernhard, Ludwig Hohlwein, Walter Schnackenberg und Joseph Binder, sowie Jean Carlu, A.M. Cassandre und Alexey Brodovitch in Frankreich.

Sie finden diesen Ausstellungsteil der “Stilwende 2.0 – Wege in die Moderne” als Galerie in den Fluren des Badehauses.