Friedrich Wilhelm Kleukens

Friedrich Wilhelm Kleukens wurde am 7. Mai 1878 in Achim bei Bremen geboren. Bekannt wurde er vor allem als Werbegraphiker und Buchkünstler. Aber auch als Typograph machte er von sich reden.
Über 60 Jahre war er als Künstler tätig. Gerade in den ersten vier Jahrzehnten entwickelte er Figuren und Ornamente, die immer wieder in verschiedenen Spielarten in seinen Werken auftauchen. Dies änderte sich aber mit Beginn der 1930er Jahre.
Doch werfen wir einen Blick auf das Leben und Werk eines künstlerischen Multitalents, das Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe war und als künstlerischer Leiter der Ernst Ludwig- und der Ratio-Presse hochgelobte Buchkunst schuf.

Auf dem Weg zum Künstler

Seine Karriere als Künstler begann Friedrich Wilhelm mit einer Lehre als Zeichner im Atelier der Bremer Silberwarenfabrik Wilkens & Söhne, die bereits damals als bedeutender deutscher Hersteller und Vertreiber von silbernen und versilberten Bestecken und Korpusartikeln galt und bis heute im Bremer Stadtteil Hemelingen ihren Sitz hat.
Nach dem Abschluss seiner Lehrzeit ging Friedrich Wilhelm Kleukens an die Unterrichtsanstalt des königlichen Kunstgewerbemuseums Berlin. Hier lernte er Fritz Helmuth Ehmcke und Georg Belwe kennen, die ebenfalls dort studierten.
Alle drei jungen Männer waren Schüler von Emil Doepler, der seit 1889 Professor an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums war.

Besteck Friedrich Wilhelm Kleukens 1904/5 Hersteller: Firma Sauerland
Besteck Friedrich Wilhelm Kleukens 1904/5
Hersteller: Firma Sauerland – Foto: Jugendstilforum Bad Nauheim CC BY-SA 4.0
Friedrich Wilhelm Kleukens: Der Besteckkünstler

Friedrich Wilhelm Kleukens hat das Zeichnen in einer Firma gelernt, die Bestecke herstellte. Er selbst hat aber im Laufe seines Künstlerlebens nur ein einziges Besteck entworfen.
Dieses Besteck entstand in den Jahren 1904/5. Gefertigt wurde es von der Firma Gebrüder Sauerland in Berlin.

Frisch – frech – tierisch

Friedrich Wilhelm Kleukens und die Steglitzer Werkstatt

Im Jahr 1900 taten sich drei junge Männer, die sich durch ihr gemeinsames Studium kannten zusammen. Ihr Plan: Nichts weniger, als die Welt des Kunstgewerbes zu revolutionieren!
Die drei jungen Männer waren Georg Belwe, Fritz Helmuth Ehmcke und Friedrich Wilhelm Kleukens.
Ihr Startkapital waren ein Stipendium, das Kleukens erhalten hatte sowie eine kleine Dachkammer, die Belwes Vater zur Verfügung stellte und eine gebrauchte Steindruckpresse.

Steglitzer Werkstatt
Steglitzer Werkstatt
Werkstätten der Jugendstilzeit

In der Zeit um 1900 gab es viele junge Künstler:innen, die sich in Werkstätten zusammenschlossen und das Kunsthandwerk neu beleben wollten. Nur wenige von ihnen bestanden über längere Zeit. Auch Erfolg war nicht allen beschieden, denn der hing vor allem von entsprechend potenten Geldgebern ab.
Die berühmteste Werkstätte jener Zeit ist sicherlich die Wiener Werkstätte, gegründet 1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und dem Industriellen Fritz Waerndorfer.

Vielfalt im Druck

Das erste Produkt der Steglitzer Werkstatt waren Ansichtskarten der neuen katholischen Kirche in Steglitz. Sie wurden ein Verkaufsschlager. Das machte die neue Werkstätte bekannt und die Dachkammer reichte bald nicht mehr aus. So erweiterte man sie und quartierte sich in einen Hühnerstall.
Doch von Postkarten allein ließ sich nicht leben, das wussten auch Kleukens, Belwe und Ehmcke und so kauften sie sich eine kleine Bostonpresse und eine neue revolutionäre Schriftart: die Eckmann-Schrift.
Ihr Ziel: Schöne und künstlerische Bücher drucken.
Das Ergebnis: Die Steglitzer Werkstatt realisierte jedoch nur ein einziges Buch. Es waren die Sonette nach dem Portugiesischen von Elizabeth Barret-Browning, die im Jahr 1903 beim Diederichs-Verlag erschienen. Den Buchschmuck gestaltete Fritz Hellmut Ehmcke.

Otto Eckmann - Schrift
Otto Eckmann

Otto Eckmann studierte an den Kunstgewerbeschulen in Hamburg und Nürnberg und an der Akademie der bildenden Künste in München. Zunächst versuchte er sich als Maler, spezialisierte sich dann aber auf Graphikdesign und Kunsthandwerk. Er schuf das Signet des S. Fischer Verlags, Sammelbilder für die Firma Stollwerk und zahlreiche Titelblätter für die Zeitschrift Pan.

Tierisch gute Werbung

Mit der Erweiterung der Werkstatt wurde die Arbeit geteilt: Belwe war für die Technik zuständig, Kleukens für Kunst und Gewerbe und Ehmcke für Handel und Finanzen.
Dem Erfolg der Steglitzer Werkstatt kam ein Zufall zur Hilfe in Person des Selfmademan Otto Ring.
Denn der engagierte die drei jungen Männer für seinen Allzweckkleber Syndetikon eine Werbekampagne zu entwickeln und die wurde ausgesprochen erfolgreich.
Der Erfolg basierte vor allem auf zwei Faktoren: Die Werbung war ungewöhnlich und ironisch. Ihr Urheber war Friedrich Wilhelm Kleukens, der hier seine Liebe zu Tierzeichnungen voll auslebte.

Syndetikon Werbung gezeichnet von Friedrich Wilhelm Kleukens
Syndetikon Werbung gezeichnet von Friedrich Wilhelm Kleukens
Syndetikon Werbung von Friedrich Wilhelm Kleukens

Kleukens entwarf unzählige Versionen von Werbebildern für Syndetikon. Die meisten von ihnen zeigen Tiere, die an dem Alleskleber festkleben und versuchen sich zu befreien.
Auch Bastelbögen wurden für Syndetikon von der Steglitzer Werkstatt entworfen.
Die Werbekampagne ließ die Steglitzer Werkstatt zur ersten deutschen Ateliergemeinschaft für Werbekunst werden.

Üppig, golden, ornamental

Friedrich Wilhelm Kleukens und die Darmstädter Künstlerkolonie

Nach dem schnellen Aufstieg der Steglitzer Werkstatt kam auch ein schnelles Ende. Bereits 1903 trennten sich die Wege der drei jungen Männer. Die Werkstatt bestand zwar noch einige Jahre offiziell weiter, aber man ging nun ganz unterschiedliche Wege.
Friedrich Wilhelm Kleukens ging als Lehrer nach Leipzig an die dortige Kunstakademie. Hier blieb er knapp drei Jahre. Im Oktober 1906 holte ihn der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein an die Mathildenhöhe. Hier hatte er 1899 eine Künstlerkolonie gegründet, die durch Künstler wie Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich Weltruhm erlangt hatte.
In Darmstadt sollte Kleukens nun die neue Ernst Ludwig-Presse betreuen. Die neue Presse war eine der ersten Privatpressen in Deutschland und die einzige, die sich in fürstlicher Hand befand.
Ihr Ziel: Buchkunst nach englischem Vorbild zu schaffen.

Das Buch Esther - Ernst Ludwig Presse - Gestaltung: Friedrich Wilhelm Kleukens
Das Buch Esther – Ernst Ludwig Presse – Gestaltung: Friedrich Wilhelm Kleukens
Die Ernst Ludwig Presse

Neben knapp 30 Büchern entstanden in der Ernst Ludwig-Presse vor allem sogenannte Akzidenzdrucke. Darunter versteht man kleine auf Gelegenheiten bezogene Drucksachen wie z. B. Broschüren, Formulare, oder auch Eintritts- und Speisekarten.

Darmstadt – mehr als Bücher

Doch es waren nicht nur Bücher, die Friedrich Wilhelm Kleukens in seiner Darmstädter Zeit kreierte. Auch an der Ausgestaltung des berühmten Hochzeitsturms war er in mehrfacher Hinsicht beteiligt. Hier lebte Kleukens genauso wie in den Büchern, die er zu dieser Zeit gestaltete, seinen Hang zu Gold und Opulenz aus.

Darmstadt Hochzeitsturm - Mosaik "Der Kuss" von Friedrich Wilhelm Kleukens
Darmstadt Hochzeitsturm – Mosaik “Der Kuss” von Friedrich Wilhelm Kleukens
Foto: Jugendstilforum Bad Nauheim CC BY-SA 4.0
Der Glanz des Goldes

Noch in seiner Steglitzer Zeit hatte sich Friedrich Wilhelm Kleukens von übertriebener Opulenz und Ornamentik freimachen wollen. In Darmstadt jedoch wird genau dies zunächst zu seinem Markenzeichen. Sowohl seine Buchgestaltungen als auch die Mosaike des Hochzeitsturmes sind von Gold dominiert.

Tierisch, üppig, elfenhaft

Friedrich Wilhelm Kleukens und Bad Nauheim

Während seiner Darmstädter Zeit erhielt Kleukens auch den Auftrag sich an der Ausgestaltung der neuen Jugendstilanlagen von Bad Nauheim zu beteiligen. Damit war er nicht allein, denn viele Künstler der Mathildenhöhe wirkten bei diesem Prestigebau des Großherzogs Ernst Ludwig mit.

Bad Nauheim und die Künstler der Mathildenhöhe

Zu den Künstlern der Mathildenhöhe, die Gestaltungen für die Bad Nauheimer Kuranlagen gehörten unter anderen Albin Müller, Jakob Julius Scharvogel, Ernst Riegel oder auch Heinrich Jobst.
Johann Vincenz Cissarz etwa war für die Gestaltung des neuen Werbeplakats verantwortlich.

Friedrich Wilhelm Kleukens wurde die Ausgestaltung von gleich zwei Wartesälen im Bad Nauheimer Sprudelhof übertragen. Hier lebte er wieder seine Vorliebe für Tierdarstellungen aus. Diesmal waren es vor allem Vögel. Sie finden sich sowohl in den Fenstern für die er die Vorlagen fertigte, als auch auf den Wandgemälden.
Aber auch üppig goldene Ornamente fehlten nicht bei diesen Ausgestaltungen, ebenso wie elfenhaft geflügelte Wesen.

Elfenhaft - Friedrich Wilhelm Kleukens - Elfe mit Schmetterlingsflügeln
Elfenhaft – Friedrich Wilhelm Kleukens – Elfe mit Schmetterlingsflügeln
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Tierisch goldene Wartezeit

Wartesaal Badehaus 2

Für den Wartesaal von Badehaus 2 gestaltete Friedrich Wilhelm Kleukens sowohl die weithin bekannten Vogelfenster, als auch die Wandmalereien. Hier hat er die goldene Ornamentik, die wir zuvor bereits in seiner Buchgestaltung gesehen haben, auf die großen Wandflächen übertragen. Genau wie auch im Buch Esther dienten sie als Rahmen für Bilder, in diesem Fall jedoch für die Elfen.
Leider wurde der Wartesaal des Badehauses 2 im Laufe der Zeit stark verändert. Anders als die Vogelfenster blieben die Malereien von Kleukens nicht erhalten. Doch die Elfenbilder überlebten, zumindest sieben von neun. Von zwei weiteren fehlt jedoch jede Spur.
Sowie die Sanierung des Badehauses 2 abgeschlossen sein wird, werden auch die üppigen Wandmalereien von Friedrich Wilhelm Kleukens rekonstruiert und die Elfenbilder kommen wieder an ihren alten Platz zurück.

Jugendstilfenster Kleukens Badehaus 2 Wartesaal
Vogelfenster von Friedrich Wilhelm Kleukens
Foto: H. Hölzinger CC-by SA 4.0
Wartesaal Badehaus 6

Die Ausgestaltung der Wartehalle von Badehaus 6 galt schon den Zeitgenossen als nicht besonders gelungen. Vielleicht war dies der Grund dafür, dass auch er vollständig umgestaltet wurde. Anders als im Fall von Badehaus 2 verfügen wir jedoch hier über kein originales Bildmaterial. Auch die Arbeiten der Restaurator:innen haben nur wenige Spuren der einstigen Wandbilder von Friedrich Wilhelm Kleukens wieder zutage fördern können.

Im Angesicht des Krieges

Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, da wurde auch Friedrich Wilhelm Kleukens als Soldat eingezogen. Doch bereits vorher hatte er seine Arbeit für die Ernst Ludwig-Presse beendet, denn zuvor war es zwischen ihm, seinem Bruder Christian Heinrich, der ebenfalls für die Ernst Ludwig-Presse arbeitete und dem Verleger der Bücher zu Streitigkeiten gekommen.

Die Feldgraue - Zeichnungen von Friedrich Wilhelm Kleukens

Tierisch, kindlich

Friedrich Wilhelm Kleukens und die Ratio Presse

Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Kleukens eine eigene Presse in Darmstadt. Sie erhielt 1920 den Namen Ratio Presse nachdem sie zuvor Kleukens-Drucke hieß, was aber eine Verwechslungsgefahr mit der Presse seines Bruders Christian Heinrich barg.
Mit Beginn der Ratio Presse und dem Ende der Zeit in der Künstlerkolonie wirkt das Werk von Friedrich Wilhelm Kleukens wie ausgewechselt. Gold und ornamentale Schwere sind verschwunden und die lustigen Tierfiguren kehren wieder zurück. Sogar ein Kinderbuch entsteht in jenen Jahren.
1924 aber trennte sich Kleukens von seinen Verlegern, so dass die Zeit der Ratio Presse erst einmal ein Ende fand. Doch das war nicht endgültig, denn 1927 wurde ein Verein zur Förderung der Ratio Presse gegründet, der das Comeback bedeutete.
Während Friedrich Wilhelm Kleukens nun wieder Bücher illustrierte, arbeitete er zeitgleich auch als künstlerischer Leiter für die Schriftgießerei Stempel in Frankfurt, die auch die Ratio Presse unterstützte.
Doch die Drucke, die die Presse herstellte waren zu aufwendig und zu teuer und so kam 1932 das endgültige Aus.

Bild aus "Ungleiche Spielkameraden" - Illustration Friedrich Wilhelm Kleukens
Bild aus “Ungleiche Spielkameraden” – Illustration Friedrich Wilhelm Kleukens
Ratio Presse – tierisch gute Bücher

Zahlreiche Bücher, die in der Ratio Presse entstanden drehen sich um Tiere. Da gibt es zum Beispiel “Allerhand Voagels” oder auch “Das Vogel-ABC”. Schaut man sich diese Vögel genau an, dann findet man den ein oder anderen, der auch im Badehaus 2 in Bad Nauheim schon zu sehen war.

Ein Maler wandert aus

Nachdem Friedrich Wilhelm Kleukens schon in den 1920er Jahren zunehmend auf Reisen gegangen war, wanderte er 1930 endgültig aus. Für ihn und seine Familie ging es auf die Insel, die heute als der Deutschen liebste Insel gilt: Mallorca.
Hier veränderte sich seine Stilistik nun so grundlegend, dass man meinen könnte einen völlig neuen Künstler vor sich zu haben.
1936 offenbar im Zusammenhang mit dem Spanischen Bürgerkrieg, verließ Kleukens samt seiner Familie die Insel wieder und kehrte nach Darmstadt zurück.

Mallorquiner von Friedrich Wilhelm Kleukens
Mallorquiner von Friedrich Wilhelm Kleukens
Ein neuer Künstler auf Mallorca

Seit seiner Auswanderung nach Mallorca finden sich nur mehr Aquarelle, Bleistiftzeichnungen und später auch Ölgemälde von Friedrich Wilhelm Kleukens. Sie alle zeigen einen für ihn völlig neuen Stil. Seine früher so witzig ironische Art ist verschwunden. Was dazu führte, dass er seinen Malstil so radikal veränderte, das wissen wir nicht.

Die letzten 20 Jahre

Von Darmstadt bis Nürtingen

Von Mallorca aus ging Friedrich Wilhelm Kleukens zurück nach Darmstadt, wo er weiter als Künstler arbeitete. Es waren vor allem die Bereiche der künstlerischen Werbemittelgestaltung und des Industrieinterieurs mit denen er sich in den letzten Jahren beschäftigte.
Als dann 1944 sowohl sein Wohnhaus als auch sein Ateliers bei der Firma Stempel ausgebombt wurden, verlor er nahezu alle seine Arbeiten und stand quasi vor dem Nichts.
Daraufhin zog er nach Nürtingen, einer Stadt südöstlich von Stuttgart und versuchte wieder einen Neuanfang.
In den letzten zwölf Jahren seines Lebens arbeitete Friedrich Wilhelm Kleukens vor allem als freier Grafiker.
Er starb am 22. August 1956 in Nürtingen.

Das Telegrafenamt in Frankfurt a.M. - Friedrich Wilhelm Kleukens
Das Telegrafenamt in Frankfurt a. M. 1950
von Friedrich Wilhelm Kleukens

Das Jugendstilforum Bad Nauheim möchte sich an dieser Stelle sehr herzlich bei Familie Kleukens bedanken, die die Freigabe zur Veröffentlichung der Bilder von Friedrich Wilhelm Kleukens erteilt hat.