Das Solbad (Bad) Nauheim im Wandel der Zeit

Vom Söderdorf zum internationalen Herz-Heilbad

Bad Nauheim - Totalansicht ca. 1899 - historische Postkarte

1823 beginnt mit einem bescheidenen Knappschachaftsbad für Salinenarbeiter die Entwicklung des kleinen Dörfchens Nauheim zum internationalen Herz-Heilbad.
Jahrhundertelang wurden die Solequellen zur Salzgewinnung genutzt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannte man die heilende Wirkung der Sole.

Bad Nauheim – Totalansicht ca. 1899 – historische Postkarte

Wilhelmsbad um 1900

Bereits vor 1820 hatte Sole von Nauheim aus für Badetherapien nach Wilhelmsbad transportiert. Nun entschloss man sich solche Therapien auch in Nauheim selbst anzubieten.
Und man versuchte seit 1816 mit Tiefenbohrungen neue Solequellen zu erschließen
.

Wilhelmsbad um 1900 – historische Postkarte

Das Weihnachtswunder von Bad Nauheim 1846 Bild: Heinz Geilfus

Das erste Badehaus wird 1835 in Nauheim gebaut. Es hat neun Wannen und neun Gästezimmer. Ein bescheidener Anfang aus dem wohl nicht viel mehr geworden wäre hätte es das Weihnachtswunder des Jahres 1846 nicht gegeben.
Am 22. Dezember des Jahres sprach der “Große Sprudel” aus der Erde. Damit hatte man nun eine Wassermenge, die einen dauerhaften Badebetrieb möglich machte.
1855 kam noch der Friedrich Wilhelm Sprudel hinzu.

Das Weihnachtswunder von Bad Nauheim 1846 Bild: Heinz Geilfus

Badehaus 1 Bad Nauheim
Bild: Heinz Geilfus

1850 entsteht ein neues Badehaus mit 32 Wannen. Das erste, 1835 gebaute, Badehaus wird zum Hotel Kursaal umgebaut.

Badehaus I Bad Nauheim 1835 Bild: Heinz Geilfus

Bad Nauheim vom Johannisberg um 1900

Mit den ersten Badehäusern beginnt sich auch das Dorf zu wandeln und wächst langsam zur Stadt heran: Hotels und Pensionen entstehen. Der Landesbaumeister Schulz sorgt für eine Stadterweiterung mit quadratisch angelegten Straßen. Nauheim erhält eine Neustadt und der Kasseler Hofgartendirektor Wilhelm Hentze wird beauftragt einen ersten Park in der Nähe der Quellen anzulegen.

Bad Nauheim – Aussicht vom Johannisberg um 1900 historische Postkarte

Bad Nauheim mit Bahnhof um 1900

Den endgültigen Startschuss zur Expansion Nauheims zum Weltbad gibt es im Jahr 1852: Nauheim wird an die Main-Weser-Bahn angeschlossen und ist nun für viele Menschen gut und schnell zu erreichen.

Bad Nauheims erster Bahnhof – historische Postkarte

Stadt Wappen Bad Nauheim – 
Heinz Ritt

Ein weiterer Meilenstein in der rasanten Entwicklung Nauheims ist das Jahr 1854: Das ehemalige Söderdorf erhält Stadtrechte und der Franzose J.R. Viali die Genehmigung zum Bau einer Spielbank neben dem Hotel Kursaal.

Stadt Wappen Bad Nauheim – Heinz Ritt

Die ersten Badehäuser, der Kurpark und das neue Kurhaus

Gedenkstein Heinrich Siesmayer im Kurpark Bad Nauheim

Gefeiert werden konnte auch im Jahr 1857: Die Anlage des Kurparks wurde begonnen. Verantwortlich zeichnete der bekannte Gartenarchitekt Heinrich Siesmayer, der später auch den Frankfurter Palmengarten erschaffen sollte.

Gedenkstein Heinrich Siesmayer im Kurpark Bad Nauheim Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Beneke-Brunnen Bad Nauheim am Kerckhoff-Institut Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Ebenfalls im Jahr 1857 entdeckt der erste Badearzt von Bad Nauheim – Friedrich Wilhelm Beneke – die positive Wirkung des kohlensäurehaltigen Thermalwassers von Nauheim auf das Herz-Kreislaufsystem und begründet damit den Ruf Bad Nauheims als erstes Herzheilbad der Welt. Bald kommen Gäste aus der ganzen Welt, um hier Heilung zu finden.

Beneke-Brunnen Bad Nauheim am Kerckhoff-Institut Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Kurhaus Bad Nauheim mit Lesesaal 1901

Zwischen 1862 und 1864 entsteht das neue Kurhaus im Stil der italienischen Renaissance. Die Spielbank zieht hier ein und täglich gibt es ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm von Bällen und Konzerten bis hin zu aufwendigen Lichterfesten. In den Folgejahren wird das Kurhaus immer wieder um- und ausgebaut. Es erhält ein Theater und die Terrasse wird erweitert.

Kurhaus Bad Nauheim mit Lesesaal 1901 – historische Postkarte

Badehaus III Bad Nauheim

Längst reichen die vorhandenen Kurmittel nicht mehr aus und 1853 wird ein zweites Badehaus errichtet. Es hat 60 Badezellen. Auch diese Erweiterung reicht bald nicht mehr aus und so entsteht 1866 das Badehaus III. Dieses Badehaus verfügt über 50 Badezellen.
Der rasante Aufstieg Nauheims gipfelt 1869 in der Verleihung des Titels “Bad”.

Badehaus III Bad Nauheim – historische Postkarte

Die Erweiterung der Kuranlage mit den Badehäusern IV, V, VI und VII

Badehaus IV Bad Nauheim

1888 wurden die Kuranlagen um das Badehaus IV erweitert. Architekt dieses beeindruckenden Fachwerkbaus war der Kreisbaumeister Friedrich Kranz. Das neue Badehaus enthielt 41 Badezellen und stand an der Zanderstraße, etwas entfernt von den bisherigen Badehäusern.

Badehaus IV Bad Nauheim – historische Postkarte

Badehaus V Bad Nauheim

Schon bald stieß das neue Modebad Nauheim aber wieder an seine Kapazitätsgrenzen und so errichtete man 1892 Badehaus V. Auch dieses Badehaus war wieder ein Holzfachwerkbau. Der Architekt war diesmal der Oberbergrat Karl Braun. Badehaus V erhielt einen großen Wartesaal und Thermalbäder im Ostflügel sowie Sprudelbäder im Westflügel.

Badehaus V – historisches Foto, Privatbesitz Anja Kircher-Kannemann

Badehaus VI Bad Nauheim

Der Aufstieg Bad Nauheims ging weiter und mit ihm der Ausbau der Kuranlagen: 1896-1898 entstand durch den Baurat Friedrich Groß Badehaus VI mit 60 Badezellen und 62 Wannen sowie einer Dampfheizung und einem großen Wartesaal.
Die größte Besonderheit an diesem Badehaus war das Reisebüro, das man hier gleich integrierte und das Agenturen der wichtigsten Schifffahrtslinien von Cunard, über White Star Line bis hin zu Red Star und P&O enthielt.

Badehaus VI Bad Nauheim – historische Postkarte

Badehaus VII Bad Nauheim

1900-1901 entstand mit Badehaus VII das letzte der alten Badehäuser Bad Nauheims. Es enthielt 20 Badezellen mit 22 Wannen, gespeist wurde es vom Ernst-Ludwig-Sprudel.

Badehaus VII Bad Nauheim – historische Postkarte

Die Sprudeleinfassungen 1846-1913

Baustelle im neuen Sprudelhof um 1910 mit der zeitweiligen Sprudeleinfassung Foto: Hessisches Landesarchiv Darmstadt r_4#26057

Das Herz von Bad Nauheim – die Sprudel – wurden schon früh eingefasst und in den Mittelpunkt des Kurortes gestellt. Nachdem der “Große Sprudel” zunächst nur eine recht einfach Fassung aus angehäuften Sintersteinen erhielt, wurde nach Ausbruch des Friedrich-Wilhelm-Sprudels 1855 eine gemeinsame repräsentativere Einfassung geplant. Im Laufe der Jahre wurde sie immer wieder umgestaltet. Ihre heute sichtbare Fassung erhielten die beiden Sprudel erst im Jahr 1911 durch Heinrich Jobst.

Baustelle im neuen Sprudelhof um 1910 mit der zeitweiligen Sprudeleinfassung Foto: Hessisches Landesarchiv Darmstadt r_4#26057

Die Heilwässer von Bad Nauheim – Trinkkuren

alte Anlage Kurbrunnen Bad Nauheim

Neben den im Mittelpunkt stehenden Thermalwasser-Sprudeln hat man im Laufe der zeit in Bad Nauheim auch mehrere mineralische Trinkbrunnen erbohrt. Der erste von ihnen wurde 1838 erbohrt, versiegte ab bereits 1847 wieder. Nach ihm kam im Jahr 1842 der Ludwigsbrunnen. 1849 folgte der neue Kurbrunnen, gefolgt vom Salzbrunnen (1851, 1864 versiegt). 1869 stieß man auf den Karlsbrunnen.
Mitte der 1850er Jahre wurden der Kur- und der Salzbrunnen mit einer Glashalle überbaut, die später mit einer 107 Meter langen Wandelhalle und zwei Seitenflügeln ergänzt wurde.
Heute werden Ludwigs-, Kur- und Karlsbrunnen in der Trinkkuranlage ausgeschenkt.

Der Kurbrunnen-Pavillon von Bad Nauheim vor der Errichtung der Trinkkuranlage – historische Postkarte

1905-1912 – Die Jugendstilanlagen von Wilhelm Jost

r_43975-Baustelle-Verwaltungsgebaeude-Abriss-von-B3-alt-Hoffotograf-Albert-Schmidt

Um 1900 entsprachen die bisherigen Badehäuser nicht mehr den gestiegenen Ansprüchen der internationalen Kurgäste. Der damalige Landesherr Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein beauftragte deshalb den jungen Architekten Wilhelm Jost mit der Planung einer zeitgemäßen Kuranlage. Jost entschloss sich zu einem vollständigen Neubau. So wurde ein Teil der alten Badehäuser, die noch ins neue Gesamtkonzept passten, umbenannt, die anderen abgerissen bzw. abgebaut und in anderen Kurorten wieder aufgebaut.

Baustelle der neuen Verwaltungsgebäude und Abriss des alten Badehauses III Foto: Hoffotograf Albert Schmidt, Hessisches Landesarchiv Darmstadt r_43975

Sprudelhof Bad Nauheim mit drei Sprudeln

Zwischen 1905 und 1911 entstand nun eine geschlossene Anlage, die aus sechs Badehäusern besteht. Dazu kommen zwei Verwaltungsgebäude. Zwischen ihnen führt eine breite Freitreppe hinunter in den eigentlichen Sprudelhof in dessen Mittelpunkt der “Große Sprudel” und der “Friedrich-Wilhelm-Sprudel” stehen. Der ebenfalls hier untergebrachte “Ernst-Ludwig-Sprudel” steht etwas abseits.

Der Sprudelhof von Bad Nauheim mit seinen drei Sprudeln – historische Postkarte

Sprudelhof von Bad Nauheim

Die neue Anlagewurde von Jost in neobarocker Form symmetrisch geplant. Sie orientiert sich an der Sichtachse, die vom Bahnhof bis hinauf zum Johannisberg reicht.

Die Sichtachse des Sprudelhofs von Bad Nauheim mit den beiden Verwaltungsgebäuden und der großen Freitreppe mit Blick auf den Johannisberg.
Foto: H. Hölzinger CC-by SA 4.0

Fürstenbad Badehaus 3

Die sechs neuen Badehäuser boten Platz für 265 Badezellen, sowie vier opulent und luxuriös ausgestattete Fürstenbäder.
Ergänzt wurde das Angebot durch 155 Badezellen, die in den noch verbliebenen alten Badehäusern untergebracht war
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Fürstenbad Badehaus 3 um 1913, Foto aus: “Bad Nauheim – Fremdenführer”, ehem. Staatsbad Bad Nauheim

Wartesaal Badehaus 3

Alle Badehäuser verfügen bis heute über einen Wartesaal.

Wartesaal von Badehaus 3 mit originalem Mobiliar entworfen von Wilhelm Jost – Foto: Susanne Homann

Schmuckhof Badehaus 7 auf Landesausstellung 1908

Alle sechs neuen Badehäuser sind um sog. Schmuckhöfe herum gebaut, die Raum für Entspannung bieten und auf harmonische Art Kunst, Natur und Architektur miteinander verbinden. Sie wurden von namhaften Künstlern, die z.T. der Darmstädter Künstlerkolonie angehörten, ausgestaltet.

Der Keramische Hof von Heinrich Jobst – heute der Schmuckhof von Badehaus 7

Sprudelhof Bad Nauheim

Die beiden mehrstöckigen Verwaltungsgebäude mit ihren eindrucksvollen Türen und den schönen Jugendstillampen wirken wie ein Eingangsportal zum Sprudelhof.

Der Sprudelhof von Bad Nauheim – Foto: H. Hölzinger CC-by SA 4.0

Wellen und Sprudelblasen - Ernst Riegel Geländer im Sprudelhof von Bad Nauheim

Die Fassaden der Badehäuser sind mit schlichten Dekorelementen versehen. Sie zeigen Wellenmuster und Kohlensäureblasen und symbolisieren so die Heilkraft der Bad Nauheimer Quellen.

Wellen und Sprudelblasen – Ernst Riegel Geländer im Sprudelhof von Bad Nauheim Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Die Arkaden, die die Badehäuser miteinander verbinden erinnern an klösterliche Kreuzgänge.

Arkadengang zwischen den Badehäusern – Foto: H. Hölzinger CC-by SA 4.0

Jugendstilfenster aus dem Kaiserinnenbad - Fürstenbad Badehaus 3

Marmor, Mosaike, kostbare Fliesen und Buntglasfenster schmücken die Innenräume der Badehäuser.

Jugendstilfenster aus dem Fürstenbad von Badehaus 3 Foto: H. Hölzinger CC-by SA 4.0

Ausschank Trinkbrunnen Bad Nauheim

Als letzter Neubau kam in den Jahren 1911/12 die Trinkkuranlage hinzu. Hufeisenförmig umfassen mehrere Gebäude einen Innenhof. Auf der einen Seite befand sich der Milchkurausschank und auf der anderen der Ausschank der Trinkbrunnen.

Ausschankbrunnen in der Trinkkuranlage von Bad Nauheim – Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Trinkkuranlage Bad Nauheim

Wandelhallen und eine Konzertmuschel mit vorgelagertem Wasserbecken umschließen bis heute an drei Seiten die Trinkkuranlage, die sich nur in Richtung auf den Kurpark und den Sprudelhof öffnet.

Trinkkuranlage Bad Nauheim – historische Postkarte