Kabinettausstellung „Auf dem Weg zur Neuen Frau“
Tradition – Moderne
Aufbruch – Beharrung
Ende und Anfang …
… die Epoche, die den Jugendstil hervorbrachte war alles gleichzeitig.
Sie war Belle Époque und Fin de Siècle, Schönheit und Hässlichkeit, Chance und Scheitern, und in vielerlei Hinsicht war diese Zeit der unseren so ähnlich, dass sie eine Art entfernter Spiegel ist, in den wir schauen und uns – leicht unscharf – doch erkennen.
Die alte Welt, sie verschwand erst einmal nicht, sie blieb – zumindest bis 1914, aber die neue Welt entstand, sie brach sich Bahn und übernahm die alte Welt für eine Zwischenzeit ab 1918 bis zum Beginn des Nationalsozialismus.
Diese Epoche währte gar nicht lang, nur etwa 30 Jahre von der Mitte der 1880er Jahre bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914. Aber es geschah unendlich viel in diesen wenigen Jahrzehnten: Die Welt stand Kopf, sie fiel von einem Umbruch in den nächsten, die Wissenschaften feierten eine neue Erkenntnis nach der anderen, die Technik entwickelte sich in rasender Geschwindigkeit, die Industrie beherrschte alles und präsentierte sich stolz auf den Weltausstellungen, der Massenkonsum brach sich Bahn und die Werbung mit ihm.
Frauen fingen an, sich zu emanzipieren, sie forderten neue Rechte ein, sie begannen in vielen neu entstehenden Berufen zu arbeiten, und sie lösten sich Stück für Stück von den Männern, über die sie sich nicht länger definieren wollten, sondern lieber über sich selbst.
Auf der Weltausstellung, die im Jahr 1900 in Paris stattfand, gab es ein Palais de la Femme und bei den Olympischen Sommerspielen, die im gleichen Jahr ebenfalls in Paris stattfanden, durften Frauen erstmals teilnehmen. Sechs Wettbewerbe in vier Sportarten standen ihnen offen. Insgesamt waren laut IOC 22 Frauen unter den insgesamt 997 Teilnehmern.
Auch die neu entstehenden Warenhäuser, die Theater und Cafés boten Frauen neue Möglichkeiten, sich allein und ohne Mann außerhalb des eigenen Hauses zu bewegen.
Neue Fortbewegungsmittel wie das Fahrrad und die Straßenbahn veränderten nicht nur den Bewegungsradius von Frauen, sondern auch ihre Kleidung, die nun pragmatischer wurde; etwas, das viele Ärzte schon lange gefordert hatten. Künstler:innen und Designer:innen wie Emilie Flöge, Jeanne Paquin, Coco Chanel, Peter Behrens oder Henry van de Velde begannen nun, sich mit anderen und teils auch praktischeren Formen weiblicher Kleidung zu beschäftigen.
So manch berufstätige Frau, wie bspw. die Fotografin Hanni Schwarz, entwickelte gar eine eigene Berufskleidung, die ihr ausreichend Bewegungsfreiheit gewährte.
Stück für Stück entstand ein neuer Frauentypus und mit ihm das Schlagwort von der „Neuen Frau“. Sie war selbstbewusst und dynamisch, voller Energie und neuer Ideen. Sie äußerte ihre Meinung, sie lernte und informierte sich, sie brach aus den Traditionen und Konventionen aus, sie wurde populär, aber für die meisten zunächst zu einer eher unsympathischen Figur, die oft karikiert und belächelt wurde.
So manches sieht heute nicht viel anders aus, und so kann man diese Epoche in vielerlei Hinsicht als „fernen Spiegel“2 unserer eigenen heutigen Zeit ansehen.
In dem vorliegenden Begleitheft zur Ausstellung „Stilwende 2.0 – Wege in die Moderne“, die das Thema „Auf dem Weg zur Neuen Frau“ in den Fokus nimmt, stellen wir eine ganze Reihe „Neuer Frauen“ vor. Wir beleuchten ihr Leben und ihr Werk, wir stellen Frauen vor, denen vielleicht gar nicht bewusst war, dass sie Teil dieses neuen Frauentypus waren, weil sie einfach nur das Notwendige taten und ihre Arbeit verrichteten.
So wie der Titel der Ausstellung schon nahelegt, betrachten wir nicht nur die Zeit von Jugendstil und Art Nouveau, sondern gehen weiter bis in die Epoche von Art Déco und Bauhaus – in eine Zeit, in der das Schlagwort der „Neuen Frau“ insbesondere in Deutschland aufkam, nachdem man bspw. in Frankreich schon um 1900 über sie gesprochen hatte.
In einem letzten Teil stellen wir unter dem Titel „1900 – Frauenleben in Bad Nauheim“ „Neue“ oder vielleicht doch ganz traditionelle Frauen vor, die in Beziehung zum Weltbad Bad Nauheim stehen, das genau in der Zeit vom Jugendstil bis hin zum Bauhaus seine Blütephase erlebte.
Künstlerinnen vom Jugendstil bis zum Bauhaus
Folgende Künstlerinnen sind in der Ausstellung vertreten. Wenn Sie ihre Namen anklicken, werden Sie zum entsprechenden Beitrag weitergeleitet, der in der Rubrik „Jugendstilkünstlerinnen“ veröffentlicht wurde:
- Die Glaskünstlerin Betty Hedrich
- Sophie Burger-Hartmann und der Stil der Jugend
- Ella Margold-Weltmann, Lilli Behrens und Luise Kleukens – Die Darmstädter Mathildenhöhe aus weiblicher Sicht
- Blickpunkte von Julie Wolfthorn
- Henriette Grimm-Gallé und Rose Wild – Die weibliche Seite der École de Nancy
- Jeanne Paquin – L’Art nouveau à la Mode
- Marie Kirschner und Mariska Klammer – Künstlerinnen Made in Austria
- Hilda Jesser und die Frauen der Wiener Werkstätte
- Clara Driscoll und die Tiffany Girls
- Jessie Marion King und der weibliche Stile Liberty
- Hildegard Delius und Margarete Heymann-Loebenstein – Frauen gaben den Ton an
- Ida Paulin und die gläserne Kunst
- Marianne Brandts graphische Welt